Literatur: Poetische Experimente rund um den Fußball

Der Hochschulprofessor Klaus Hansen spielt mit Worten wie Özil mit dem Ball.

Krefeld. In seinen schönsten Momenten ist Fußball pure Sinneserfahrung. Der Kopf schaltet sich aus, die Gefühle schwappen ins Hirn, und selbst wortgewandte Akademiker ertappen sich beim sprachlosen Staunen, fiebrigen Beben oder hemmungslosen Brüllen. Wer es nicht glaubt, sollte heute Abend gegen 20.30 Uhr in einem beliebigen Biergarten vorbeischauen.

Klaus Hansen, Professor für Politik und Kommunikation an der Hochschule Niederrhein und kürzlich Dozent beim WZ-Forum "Wissen für Krefeld", weiß als bekennender Fußballfan um die bizarren Gemütszustände, die das Spiel hervorruft. Deshalb versucht er in seiner Sammlung "experimenteller Fußballpoesie" gar nicht erst, den Zauber in Worte zu fassen. Seine Gedichte sind typographische Gemälde, in denen Hansen mit Worten und Phrasen spielt wie Özil mit dem Ball.

Grundlage seiner Gedichtbilder ist oftmals ein Fußballfeld, dessen Ränder aus dem rundherum wiederholten Wort "Rasen" geformt werden. Auf dem Feld tummeln sich weitere Buchstaben und Zahlen. Sie formen zum Beispiel das Wort "Abseitsfalle", ironisch betitelt mit "Kleiner Service für das weibliche Geschlecht". In einem anderen Gedicht namens "Die Wahrheit liegt auf’m Platz", stehen sich als zwei mal elf Spieler die Buchstaben des Wortes "Millionarios" gegenüber.

Meist offenbaren die poetischen Experimente beim genaueren Hinsehen eine zweite Ebene, die weit über absurde Sprachspielerei hinausgeht. Die Themen, die Hansen aufgreift, sind auch auf jeder Fan-Tribüne Gesprächsstoff. So bleiben im Gedicht "Ausländer raus" bei einem normalen Bundesligamatch nur vier Spieler auf dem Feld. Dass Dortmunds Roman Weidenfeller den Schalker Stürmer Asamoah nicht "schwarzes Schwein" sondern "schwules Schwein" genannt haben soll, sorgt laut Hansen bei der "bimbophilen Öffentlichkeit" für Erleichterung: "Kein Rassismus!"

Wie gut Hansen, der aus unerfindlichen Gründen dem MSV Duisburg zugeneigt ist, sich mit der Befindlichkeit der Fans auskennt, lässt sich auch am schönsten Gedicht des Buches ablesen. Unter der Überschrift "Dialoge, die man nur im Stadion versteht" lässt Hansen einen Fan sagen: "Ich geh’ ma’ pissen." Die Antwort ist üblich, gleichwohl reine Poesie: "Bring mir eins mit!"

Klaus Hansen: "Sisyphos am Ball - Experimentelle Fußballpoesie". Mit Psaligrafien von Alfons Holtgreve. Kunstanstifter Verlag, Mannheim. 105 Seiten. Für 18,90 Euro im Handel.

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