Kulturfabrik: Fatih Cevikkollu zwischen Lachsalven und Stille

Fatih Cevikkollu seziert die Fallstricke des deutsch-türkischen Zusammenlebens.

Kulturfabrik: Fatih Cevikkollu zwischen Lachsalven und Stille
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Mit knallrotem Anzug kommt er auf die Bühne und wirft dem Publikum einen Gruß aus frischem Minzgeruch entgegen. Genauso leicht und frisch wie der Geruch des Handwassers bestreitet Çevikkollu seinen dreistündigen Auftritt. „Wenn du lachst, bist du Gott am nächsten“, sagt er.

Es darf viel gelacht, geschmunzelt und auch mal nachdenklich geschluckt werden. Denn der Deutsch-Türke, der „aussieht wie Ali und spricht wie Hans“, ist ein Aufklärer. Er benutzt Klischees und Vorurteile deutsch-türkischen Zusammenlebens nicht als bloße Vorlagen für schnelle Gags.

Sie dienen der 41 Jahre alten Kölner Frohnatur als Mittel, um seine Erkenntnisse überspitzt auf den Punkt zu bringen. Dabei folgt er der Regel Oscar Wildes: „Wenn du die Wahrheit verhandelst, musst du die Leute zum Lachen bringen, sonst bringen sie dich um.“ Whistleblower Edward Snowden habe das falsch gemacht, „er hat die ganzen Gags weg gelassen.“

Çevikkollu will darlegen, „was nebeneinandersteht, ohne emotional betroffen zu machen.“ Er zitiert den deutschen Philosophen Johann Gottfried Herder: „Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.“ Auch als waschechter Kölner mit katholischer Erziehung müsse er sich erklären. Der Schmerz gehe schon bei der Wohnungssuche los — wenn er mit einem deutschen Alias-Namen (Çevikkollu nennt als Beispiel Goebbels) eher eine Wohnung besichtigen dürfe, als mit seinem eigenen.

Nicht selten kommt im Publikum zwischen Lachsalven auch verhaltene Stille auf. Dann, wenn Çevikkollu klar macht, dass wir in einer Zeit leben, „wo Gegenstände geliebt und Menschen benutzt werden.“ Wenn er mit bitterbösem Humor deutsche Global Player ins Visier nimmt, die mit Hilfe von Tochterfirmen Minen, Minensuchgeräte und „Prothesen mit Navigationsgerät“ in Krisengebieten auf den Markt bringen. Oder wenn er sich angesichts des NSU-Verfahrens fragt, warum 8000 Akten aus Versehen geschreddert werden konnten.

„Warum starten wir nicht eine Revolution?“ fragt Çevikkollu. Schließlich gebe es eine Bundeskanzlerin, die alles gut heiße, obwohl acht Millionen Menschen nicht von ihrer Arbeit leben könnten. Am Ende des Programms deutet Çevikkollu einen humanistisch angehauchten Ausweg aus dieser Verwirrung aus Politik, Wirtschaft und Integrationsdebatten an. Er setzt auf das menschliche Miteinander der neuen Generationen. „Integration findet statt“, sagt Çevikkollu. Diese zeige sich zum Beispiel, wenn seine zweisprachig aufwachsende Tochter im Kindergarten für ihr Sprachtalent bewundert werde.

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