Qatsi.TV Krefelder Filmemacher zaubert für Arte

Mic Thiemann hat schon Musikvideos für David Bowie geschnitten. Jetzt zeigt er mit einer Doku, wie Architektur aussieht, die Menschen verbindet.

Qatsi.TV: Krefelder Filmemacher zaubert für Arte
Foto: Andreas Bischhof

Krefeld. Kaum zu glauben, dass hier schon David Bowie ein Musikvideo schneiden ließ, wöchentlich für die Aktuelle Stunde des WDR gedreht wird und jetzt eine Doku-Reihe für Arte fertiggestellt wurde. Ein unscheinbares Haus an der Lindenstraße mitten in der Stadt. An der Klingel am Rolltor steht „qatsi.tv“. Nicht nur der Name ist ungewöhnlich. Seit 24 Jahren arbeitet Mic Thiemann in Krefeld „fast inkognito“, wie es der 49-Jährige ausdrückt. Mit 14 Jahren hat er den Film „Koyaanisqatsi“ gesehen, der ihn nur mit Bildern und Musik so sehr gefesselt hat, wie sonst nichts anderes. „Damals habe ich mein Kommunikationsmittel gefunden“, sagt Thiemann heute.

Qatsi.TV: Krefelder Filmemacher zaubert für Arte
Foto: qatsi.tv

Das jüngste Projekt ist im Kasten und Mic Thiemann sitzt an einem der zahlreichen Bildschirme, in dem zur Produktionsfirma umgebauten Haus anno 1901. Alle Fenster sind leicht abgedunkelt. An den Computern stehen Bedienelemente, die so aussehen, als könne damit auch ein Raumschiff gesteuert werden. Während Thiemann von seiner ungewöhnlichen Laufbahn erzählt, macht er den Trailer für „Meine Stadt:/ Ma ville:“ internetfähig.

Mit der Doku-Reihe, die im April bei Arte ausgestrahlt wird, will er nicht nur Architektur in europäischen Städten erklären, sondern aufzeigen, wie wichtig die Gestaltung von urbanen Räumen und Plätzen für das Zusammenleben in den Städten ist. „Die Leute gehen mit gesenktem Kopf durch die Stadt, dabei geht Architektur alle etwas an und wird oft unterschätzt.“

Architektur und die gestaltenden Menschen dahinter vorzustellen und zu erklären, ist etwas, was der 49-Jährige als „schöne Sache“ beschreibt. „Ich habe lange dafür gesorgt, etwas in Szene zu setzen, zu überhöhen oder zu polieren. Jetzt bilde ich die Wirklichkeit ab, die ist spannend genug.“ Bei der Reihe „Meine Stadt“ hat Thiemann fast alles selbst gemacht. Er ist Cutter, Kameramann, Colorist, Regisseur und übt alle sonstigen im Filmgeschäft wichtigen Tätigkeiten aus.

Bereits als Jugendlicher warf er die ersten bewegten Pixel per Computer auf einen Fernseher. Das Thema Bewegtbild ließ ihm keine Ruhe mehr. Als er wegen Krankheit keinen Wehrdienst leisten musste, habe er gelernt, wie sich mit Computeranimationen Geld verdienen lässt.

Seinen Weg als Autodidakt zu beschreiten, sei nicht immer einfach gewesen: „Bis ich mich in meinem Job wohlgefühlt habe, hat es ein Weilchen gedauert, weil ich nicht wusste, wie die Profis das machen. Jetzt weiß ich, was ich kann.“

Vielleicht kommt Thiemann deswegen so bescheiden rüber, wenn er durch seine mit moderner Technik ausgerüsteten Arbeitsräume führt. In Nebensätzen erfährt man, dass Gentlemen der einzige Musiker gewesen sei, der sich unbemerkt um die Ecke eine Pizza holen konnte und auch David Bowie zu den Kunden zählte, als an der Lindenstraße noch Musikvideos geschnitten wurden.

In den 90er-Jahren bekam Thiemann zufällig bei einem Krefelder Unternehmen einen Job aufgrund seiner Computerkenntnisse und landete so auch beim WDR, für den er TV-Formate entwickelte und diverse Vorspänne und Studio-Sets gestaltete. Noch heute wird einmal die Woche in seinem „Green-Box-Studio“ die Computerrubrik „angeklickt“ für die Aktuelle Stunde aus Düsseldorf abgedreht.

Es grenzt an Zauberei, wenn Thiemann in der Regiekabine die verschieden Arbeitsstadien zeigt. Der Moderator gestikuliert in einem Studio, in dem alles, außer einem Pult grün ist. Mittels digitaler Bearbeitung wirft Thiemann die Studioumgebung auf die grünen Flächen, die wir aus dem Fernsehen kennen.

Moderne Illusionen, für die es in seiner Doku keinen Platz gibt. Hier bildet der 49-Jährige zusammen mit seinem Partner, dem Architekten Christopher Kappelhoff-Wulff, die Realität ab, die Menschen sich schaffen. „Architektur ist noch kein Mainstream-Thema. Wir wollen zeigen, dass es eins ist.“

Zwei Monate wurde die Technik für das Projekt zusammengestellt. Der Kamerawagen wurde mit einem 20 Meter hohen Kameramast ausgestattet, eine spezielle roboterunterstützte Halterung lässt kinoreife Kamerafahrten per Hand zu und eine Drohne liefert Aufnahmen aus luftigen Höhen. Herausgekommen sind bildgewaltige 26-minütige Folgen, die „kurzweilig und leicht zu konsumieren sind“, obwohl Architekturexperten vor der Kamera zu Wort kommen. „Ich als Laie muss es verstehen“, ist Thiemanns Kompass dabei.

Der 49-Jährige will zeigen, dass „die Gestaltung von öffentlichen Plätzen, Menschen darin beeinflusst, wie sie leben“ und hat in Lyon, Luxemburg, Kopenhagen und Antwerpen nach „Leuchttürmen“ gelungener städtischer Gestaltung gesucht und sie sich von den verantwortlichen Planern erklären lassen.

„Die Politik muss Plätze schaffen, die von den Bewohnern einer Stadt genutzt werden wollen“, ist eine Erkenntnis der viermonatigen Reise. In Antwerpen ist so aus einem alten Eisendepot ein Treffpunkt geworden, an dem Profis und Kinder verschiedenster Nationalitäten Fußball spielen und es Essen zu vernünftigen Preisen gibt. Es reiche nicht, nur Bänke aufzustellen. In Krefeld gebe es Nachholbedarf.

Thiemann verstehe nicht, warum man die Innenstadt innerhalb der Wälle nicht vom Verkehr befreit. Das würde ein „einzigartiges Zentrum schaffen, wo die Leute gerne hingehen.“

„Qatsi“ bedeutet übrigens „Leben“ (Sprache der Hopi-Indianer). Mic Thiemann möchte mit seiner Doku zeigen, wie öffentliche Räume aussehen können, in denen Menschen sich begegnen und friedlich zusammenleben wollen.

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