Krefelder backen in Schweden

Thomas und Regine Zaunbrecher haben mit ihrer Backstube in Orsa einen Neustart gewagt. Ihre Kunden lieben die deutschen Brote, Teilchen und Kuchen, die das Paar vom Niederrhein dort anbietet.

Es duftet: Nach frischen Brötchen, nach süßen Plunderteilchen, nach Blaubeerkuchen, Kirschstreusel und Hefestriezel, nach Holzofenbrot. Und man fühlt sich in dem schnuckeligen Laden sofort heimisch. Nichts geht eben über die Vielfalt der Brote in einer typisch deutschen Bäckerei. Aber hier ist doch vieles anders. Vor allem: Dieser Laden liegt gar nicht in Deutschland — nämlich am Stadtrand von Orsa in der mittelschwedischen Region Dalarna.

Krefelder backen in Schweden
Foto: Brigitte Geiselhart

Begrüßt und bedient wird man von den Chefs persönlich. Von Thomas Zaunbrecher und seiner Frau Regine. Vor vier Jahren hat der Bäcker aus Krefeld dort seine Backstube geschlossen, zusammen mit seiner Frau und deren damals zwölf Jahre alten Sohn Fynn seine Siebensachen gepackt und ist nach Schweden ausgewandert — allen Warnungen von Freunden und Familie zum Trotz.

„Wo willst du in dieser verlassenen Gegend einen passenden Laden finden?“ „Wo soll die nötige Kundschaft herkommen?“ Diese und andere besorgte Fragen seines Vaters haben sich für Thomas Zaunbrecher mittlerweile in Luft aufgelöst. Dabei kam ihm durchaus auch der Zufall zu Hilfe. „Bei der Internetsuche nach einem geeigneten Standort für Wohnung, Laden und Backstube wollte ich eigentlich in der Stadt Mora suchen, habe mich aber vertippt — und bin so auf Orsa gekommen“, sagt Zaunbrecher und muss lachen. Dass er noch etwas Neues außerhalb seiner Heimat wagen musste, das war ihm bereits im Jahr zuvor klar geworden, als er bei einem Schwedenurlaub die Liebe zu Land und Leuten entdeckte. „Ich war damals gerade 50 geworden und wurde vielleicht auch ein wenig von Torschlusspanik gepackt.“

Bereut haben die Zaunbrechers ihre Entscheidung bis heute nicht. „Schweden ist für uns das europäische Kanada“, beschreiben sie ihre Wahlheimat. „Man ist von einer unvorstellbaren Natur umgeben, hat die Möglichkeit frei zu leben und muss viel weniger Vorschriften als in Deutschland beachten. Und man bekommt von den Menschen hier einen großen Vertrauensvorschuss“, fasst Thomas Zaunbrecher zusammen.

Es ist Samstagmorgen, kurz nach 10 Uhr. Regine Zaunbrecher steht hinter der Verkaufstheke. Zu den Kunden, die von der gelernten Reiseverkaufsfrau in Schwedisch freundlich empfangen werden, gehört auch Johan Edsberg. Seit der Arzt aus Mora von einem deutschen Kollegen von der „Orsa-Bagarstuga“ — der Orsa-Backstube — erfahren hat, kauft er hier regelmäßig am Wochenende ein, heute zusammen mit seiner Schwiegermutter.

Eine 20 Kilometer lange Anfahrt nimmt er dafür gerne in Kauf. Diesmal hat er sich mit einem Bauernbrot und Käsekuchen eingedeckt. „Die Vielfalt und Frische ist begeisternd. Solch köstliche Backwaren findet man bei uns weit und breit sonst nicht. Wir Schweden haben leider keine richtige Backtradition“, sagt Edsberg. „Ich garantiere euch, dass es hier das beste Brot gibt, das man in ganz Schweden finden kann“, setzt seine Schwiegermutter noch ein Lob drauf.

Keine Frage, Familie Zaunbrecher ist im „Herzen Schwedens“, wie die Region Dalarna von Einheimischen genannt wird, angekommen. Auch der inzwischen 16 Jahre alte Fynn: Er beherrscht die Sprache längst perfekt und hat viel Freude an seiner Ausbildung zum Holz- und Forstwirt. Freizeitmöglichkeiten gibt es in der neuen Heimat genug. Und mit dem Flieger ist man auch schnell wieder in Krefeld, wenn das Heimweh dann doch mal größer wird. Erst vor wenigen Wochen hat Regine Zaunbrecher ihre beste Freundin in der alten Heimat besucht.

An ein Zurück denken die Zaunbrechers aber derzeit nicht, ganz im Gegenteil. In Zukunft will sich die Familie in Orsa um den Kauf von Ferienwohnungen bemühen — als zweites Standbein neben der Bäckerei.

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