„Krefelder Appell“ verlieh der Friedensbewegung Flügel

Vor 30 Jahren trafen sich Gegner der atomaren Aufrüstung im Seidenweberhaus. Ihre Gedanken fanden breite Unterstützung.

Krefeld. Vor 30 Jahren, am 16. November 1980, wurde der "Krefelder Appell" unterschrieben und veröffentlicht. Der Appell war ein Aufruf der westdeutschen Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979, der in seiner Konsequenz die Aufstellung von atomar bestückten Mittelstreckenraketen als Antwort auf die sowjetische Aufrüstung vorsah. Die sowjetischen Raketen (SS 20) wurden politisch als Bedrohung empfunden, weil sie eine höhere Reichweite und Zielgenauigkeit besaßen als die veraltete Vorgängergeneration. Auch konnten sie mit atomaren Mehrfachgefechtsköpfen bestückt werden.

Am 15. und 16. November tagten Vertreter der westdeutschen Friedensbewegung in Krefeld im Seidenweberhaus. Eingeladen dazu hatten einige Vertreter der "Kampf dem Atomtod-Bewegung". Dazu zählten Ostermarschierer, Kommunisten, Notstandsgesetzgegner, aber auch Wissenschaftler, kirchlich Engagierte, Gewerkschafter und Journalisten wie Martin Niemöller und Helmut Ridder. Auch Vertretern der "neuen" Friedensbewegung wie Petra Kelly, Gert Bastian und Christoph Strässer waren dabei.

An dem Treffen nahmen etwa 1500 Personen verschiedener außerparlamentarischer Initiativen, aber auch Jungsozialisten und Jungdemokraten teil. Der Entwurf stammte von Josef Weber, einem Direktoriumsmitglied der Deutschen Friedensunion, und dem ehemaligen Bundeswehrgeneral Gert Bastian.

Der "Krefelder Appell" forderte die Bundesregierung auf, der Stationierung von Pershing II-Raketen und Marschflugkörpern nicht zuzustimmen. Stattdessen sollte sie sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht länger dem Verdacht aussetzten sollte, Wegbereiter eines neuen nuklearen Wettrüstens sein zu wollen.

Den "Krefelder Appell" unterzeichneten nach seiner Veröffentlichung an die fünf Millionen Menschen, darunter viele Prominente aus Wissenschaft und Kultur.

In der Folge entwickelte sich die Friedensbewegung explosionsartig. Zu den zentralen Demonstrationen, zum Beispiel in Bonn, kamen mehrere Hunderttausend Menschen.

Krefeld war 1980 nicht gezielt als Veranstaltungsort ausgesucht worden. Es war nur zufällig so, dass mit dem Seidenweberhaus ein Ort für an die 1000 erwartete Besucher schnell, relativ zentral gelegen und verkehrstechnisch günstig erreichbar zur Verfügung stand. Organisator war die Deutsche Friedensunion.

Entsprechend zufällig war dann auch der Appell mit Krefeld verknüpft, was dem damaligen Krefelder Oberbürgermeister Hansheinz Hauser (bis 1982), der gleichzeitig auch CDU-Bundestagsabgeordneter war, überhaupt nicht passte: "Als Oberbürgermeister dieser Stadt wehre ich mich dagegen, dass ihr Name in einem gewaltigen und organisierten Propagandafeldzug der DKP, unterstützt von der SED und der KPdSU, als Vorspann dienen soll, um weniger informierte Bürger zu verunsichern."

Hauser hatte die Befürchtung, der "Krefelder Appell" könne als Willensbekundung der Krefelder Bürger fehlinterpretiert werden. Schätzungsweise an die 10 000 Krefelder hatten diesen Appell aber unterschrieben. Der Appell entwickelte eine ungeheure Dynamik, Bündnisse weit über Parteien wie DKP und DFU hinaus waren möglich, obwohl der Appell selbst bei den Unterzeichnern umstritten war. Red

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