Kabarett: Missionar mit Hang zum Sarkasmus

Hagen Rether gibt sich im Seidenweberhaus ganz entspannt.

Krefeld. Ein Freund großer Gesten und lauter Worte ist er nicht. Im Gegenteil, seine scharfzüngige Doppeldeutigkeit ist eher von stiller Natur geprägt. Warum solle man sich auch aufregen, so das Mantra von Hagen Rether. Der 41-Jährige ist ein großartiger Kabarettist, er bringt mit seinen höhnischen und sarkastischen Pointen die Zuschauer nicht nur zum Lachen, sondern ebenso zum Nachdenken. Dabei wirkt alles spontan, als kämen ihm die Gedanken gerade erst in den Sinn, wie ein Zwiegespräch mit den Zuschauern. Einen Bart hat er sich stehen lassen, da er gehört hat, Frauen würden Bärte unsexy finden. Dass sei für ihn die Lösung gewesen, ein völlig neues Lebensgefühl.

Entspannt lässt er sich zu Beginn des Abends auf seinen höhenverstellbaren Stuhl am Flügel nieder und macht noch ein paar Entspannungsübungen mit Beckenbodenatmung. Da ein Zuschauer sein Programm als zu lang empfand, habe er kurzerhand die lustigen Teile herausgeschnitten, und das sei eben dabei übriggeblieben.

Hagen Rether ist ein Meister des trockenen Humors, spielt dazu hier und da ein wenig auf seinem Flügel oder läuft um selbigen herum und putzt ihn. Dabei erinnert er ständig daran, dass "sie" alles herausfinden. Sie, das sind die CIA, Wikileaks oder die Stiftung Warentest, die herausfand, dass Fernzüge ständig Verspätung hätten, was für ihn eine echte Überraschung gewesen sei.

Großes Thema für Rether ist die Religion und wie wenig Verständnis die Religionen füreinander haben. Die zentrale Frage für ihn: "Wann ist uns eigentlich die Empathie abhanden gekommen?" Und obwohl seine Kritik an der Massentierhaltung sicher absolut berechtigt ist, wirkt er als bekennender Vegetarier ein wenig missionierend, wo er doch sonst soviel Toleranz zeigt.

Rethers Programm erfordert höchste Konzentration, um bei seiner ruhigen, beinahe monotonen Stimme die Pointen nicht zu verpassen. Sie sind mal mehr mal, mal weniger zum Brüllen komisch, aber immer mit einer tieferen Wahrheit. Es ist schwierig, sich mehr als drei Stunden darauf zu konzentrieren, da kann es schon mal auch ein wenig anstrengend werden. Man sollte eben aufhören, wenn es am Schönsten ist. edo

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