Inrath: Stadtteil ohne Schnick und Schnack

Nüchterne Architektur, Industrie und ein „Berg“ gehören zum Stadtviertel.

Krefeld. Der oder das Inrath? Das Inrath, keine Frage. Ein Stadtteil mit großer Vergangenheit und grünem Hinterland. Ein Stadtteil mit völlig verschiedenen Gesichtern. Sichtbar ist das vom Kapuzinerberg aus, mit 77 Metern Höhe nach dem Inrather Berg (87m) die zweithöchste Erhebung in Krefeld. Hier beginnt der Spaziergang mit Rolf Hirschegger und Horst Steimel.

Schon die Begrenzung des Stadtteils ist schwierig. Als statistischer Bezirk reicht er vom Ring nordwärts bis zur Grenze nach Hüls. „Gefühlt aber“, so Hirschegger, „erstreckt sich das Herzstück des Inrath von der Blumentalstraße bis Hüls.“

„Das Inrath war einmal das Armenhaus von Krefeld“, sagt Hobby-Heimatforscher Steimel. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Kapuzinerberg einst als Mülldeponie der Stadt diente. Wer vom Inrath („Os Ennert“) kam, wurde scheel angesehen. Wer dort hinzog, wie Bürgervereinsvorsitzender Hirschegger vor 30 Jahren, über den wurde der Kopf geschüttelt. Das hat sich geändert.

Gut zu sehen ist vom Kapuzinerberg links das geschäftliche Treiben an der Hülser Straße im südlichen Inrath. An der nördlichen Hülser Straße das Industriegebiet und links dahinter das Gewerbegebiet Mevissenstraße.

Das absolute Gegenteil ist der nördliche Bereich der Inrather Straße mit den alten Höfen, Weberhäuschen, den modernen und großzügigen Einfamilienhäusern am Rande des Naturschutzgebietes Hülser Bruch. Kühe auf den Weiden und weite Felder bestimmen das Bild.

Auf unserer weiteren Route kommen wir am Kützhof vorbei. Das Denkmal ist eines der ältesten Gebäude der Stadt mit urkundlicher Erwähnung im Jahr 1447. Der Hof ist also über 560 Jahre alt. Allerdings verfällt er immer mehr und wird keine Ewigkeit mehr stehen.

Weiter geht es in den nördlichen Bereich der Hülser Straße. Zwei Metallbetriebe, Schmolz & Bickenbach mit rund 500 Mitarbeitern und die Glüherei Schulz mit 50 Beschäftigten, bestimmen heute den Charakter auf diesem Straßenabschnitt. Größter Arbeitgeber am Inrath ist aber der Industriebetrieb Siempelkamp mit heute fast 2000 Mitarbeitern.

Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts existierte die Maschinenfabrik Kleinewefers (heute Voith-Sulzer mit 500 Beschäftigten). Zur Industrie kam der rasante Ausbau des Gewerbegebietes rund um die Mevissenstraße in den 80er Jahren. Rund 800 Menschen arbeiten dort, viele als 400-Euro-Jobber.

Siempelkamp ist der größte Steuerzahler im Inrath. Doch mit Lärm, Staub und Erschütterungen belastet der Betrieb den Stadtteil und seine Anwohner enorm. Es spricht aber für die Firma, dass sie sich seit Jahren um den Dialog mit den Bürgern bemüht.

Erleichtert sind die Inrather darüber, dass mit der geplanten Anbindung des Betriebes an die Venloer Straße im Norden die hohen Verkehrsbelastungen für die Hülser Straße reduziert werden.

Eindrucksvolle Sehenswürdigkeiten findet man hier kaum. Die Architektur des „Viertels“ ist nüchtern und sachlich, ohne Schnörkel. Große Teile im Krefelder Norden lagen nach dem Bomben-Inferno des Zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche. Rund die Hälfte aller Häuser im Inrath wurde dabei zerstört.

Der Wiederaufbau gegen die große Wohnungsnot musste ohne Schnick oder Schnack auskommen. Der 87 Meter hohe Inrather Berg, der aus den Trümmern aufgeschüttet wurde, ist gewissermaßen ein Mahnmal gegen den Krieg. Und es gibt auch noch einige der inzwischen ausgebauten Nissenhütten, damals Notunterkünfte für Flüchtlinge und Vertriebene des Krieges.

Geblieben ist dennoch der „Inrather“ in seiner eigenwilligen Liebe zu seiner Heimat, die sich schnell auf neue Bürger überträgt, so diese es wollen. Intensiv ist das Miteinander in vielen Vereinen und nicht zuletzt in einer starken Pfarrgemeinde St. Elisabeth. Dennoch: „Es gibt keine homogene Gemeinschaft im Inrath“, stellt Hirschegger fest. „Was uns hier im Gegensatz zu anderen Stadtteilen fehlt, ist ein Platz im Mittelpunkt“, bedauert der Betriebswirt.

Die braunen Kutten der zuletzt noch fünf selbstlosen Kapuziner sind inzwischen verschwunden. Im Jahr 2008 wurde das Gebäude an die Firma Siempelkamp verkauft. Lediglich Pater Julius ist noch da. Er ist jetzt Pfarrer der Gemeinde St. Elisabeth, erzählt er uns bei unserem Besuch im ehemaligen Kloster. Endgültig aufgegeben wird es in diesen Tagen.

Am 21. Mai war Richtfest für das neue Pfarrheim neben dem Kloster. „Es bedurfte eines heftigen Hauens und Stechens mit unserer Oberbehörde, um die Freigabe der Gelder aus dem Verkauf für dieses Projekt genehmigt zu bekommen“, stellt der streitbare Pater Julius im jüngsten Pfarrbrief fest.

Julius, ein Kirchenmann dem immer der Schalk im Nacken sitzt, ist auf das Engste verbunden ist mit den Menschen seiner Pfarre. „Pater Julius ist der die Seele des Inrath.“ So sieht ihn Rolf Hirschegger.

Unser Rundgang endet weiter südlich, am Moritzplatz. Dort hat seit rund einem Jahr die Familie Kaisler die Traditionsgaststätte Sieburg wieder geöffnet. Dort beendet unser Quartett mit einem kühlen Pils den Rundgang durch ein unspektakuläres und dennoch aufregendes Stück Krefeld.

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