Angekommen in Krefeld "Ich bin unsicher, ob ich willkommen bin"

Der junge Palästinenser Yousef aus Syrien ist besorgt, weil er erlebt, dass die Stimmung Flüchtlingen gegenüber umschlägt.

Die Geschwister Huda, Yousef und Hiyam (von links) sind vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflüchtet, leben jetzt zusammen in Krefeld und warten sehnsüchtig auf den Nachzug der Familie aus Damaskus.

Die Geschwister Huda, Yousef und Hiyam (von links) sind vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflüchtet, leben jetzt zusammen in Krefeld und warten sehnsüchtig auf den Nachzug der Familie aus Damaskus.

Foto: Foto: Duddek/Maaßen/Streyl

Krefeld. Auf die Frage, was ihm am meisten fehlt, antwortete Yousef N. im Gespräch zur Vorbereitung der Ausstellung „Angekommen in Krefeld. Flüchtlinge im Porträt“: „Meine Familie.“ — „Und eine Wohnung.“

Mit diesen Herzenswünschen ist der junge Palästinenser aus Damaskus auch auf einer der Stellwände zitiert. Letzterer hat sich inzwischen erfüllt: „Stell dir vor, ich wohne jetzt mit meinen beiden Schwestern zusammen“, sagte er kürzlich. Das Lächeln reichte dabei vom einen Ohr zum anderen.

Darauf, dass er seine Eltern und die weiteren drei Geschwister in die Arme schließen kann, wird der 15-Jährige noch warten müssen. Denn der Familiennachzug ist eine langwierige, bürokratische und gefährliche Angelegenheit. Das macht vor allem seiner Schwester Huda N. (23) Sorgen: „Mein Bruder braucht seine Eltern.“

Das letzte Foto, das ihre Schwester Hiyam N. (21) zu Hause in Syrien gemacht hat, ist eins zusammen mit ihrem älteren Bruder. Datum: 21. September 2015. Tags darauf beginnt für sie die Flucht. Mit dem Bus, dem Zug, dem Boot und zu Fuß durch Syrien, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. Bis sie am 6. Oktober ihr Ziel erreicht: „Ich mag den Krefelder Hauptbahnhof, weil ich da meine Geschwister Huda und Yousef wiedergetroffen habe.“ Über Details ihrer Flucht spricht sie nicht. Das braucht sie auch nicht. Der tiefe Schrecken offenbart sich in ihrem nächsten Satz: „Ich wünsche mir so sehr, dass mein großer Bruder über eine Familienzusammenführung hierher kommen kann, damit er nicht denselben Weg nehmen muss wie ich.“

Hiyam, Huda und Yousef sind, sooft es eine Internet-Verbindung nach Damaskus gibt, in Kontakt mit Vater und Mutter. „They are alive. (Sie leben!)“ Das allein ist schon eine gute Nachricht. „Der Krieg hat alles verändert“, sagt Huda hörbar traurig.

„Hier ist alles, was wir brauchen, Supermarkt, Schule, und es gibt eine Hochschule.“ Yousef besucht zusammen mit 20 Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern eine 9. Klasse der Robert-Jungk-Gesamtschule. Hiyam, studierte Pharma-Assistentin, büffelt die neue Sprache überwiegend in Eigenregie und gern in der Mediothek. Huda, die einen Uni-Abschluss in französischer Literatur hat, lernt Deutsch an einer Sprachschule.

„Deutschland ist ein großartiges Land“, sagt sie. „Aber jeder träumt doch davon, in seiner Heimat ein gutes Leben zu haben.“ Sich zu gewöhnen, Freunde zu finden, anzukommen braucht Zeit. „Ich fühle mich sicher hier“, sagt Yousef. „Aber ich bin unsicher, ob ich auch willkommen bin. Es gibt gerade eine sehr negative Stimmung gegen Flüchtlinge, im Fernsehen und in den Medien. Aber persönlich bin ich noch nicht beschimpft worden und habe auch noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.“

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