Gesichter erzählen Geschichten, Blicke eröffnen eine ganze Welt

Im Gerhard-Tersteegen-Haus zeigt Christoph Bünten Porträts der Bewohner. Fast alle haben sich gern fotografieren lassen.

Krefeld. Das Fotografieren hat viel mit dem Schreiben gemeinsam: Der Autor wie sein Kollege mit der Kamera müssen dem Geheimnis ihres Gegenübers auf die Spur kommen. Nicht wie ein Detektiv oder ein Polizeibeamter im Verhör, sondern behutsam und sensibel. Man muss wissen, was den anderen bewegt.

Solche Momentaufnahmen sind dem Fotografen Christoph Bünten gelungen. "Augenblick" heißt eine Ausstellung seiner Porträts im Gerhard-Tersteegen-Haus. Die Fotos zeigen die Bewohner, des Seniorenheims. Ihre Gesichter erzählen Geschichten. In unserer jugendverliebten Zeit sind diese Bilder etwas Besonderes.

Kaum einer der Bewohner hat sich gescheut, dem jungen Düsseldorfer Fotografen Modell zu sitzen. Er hat sich eine Weile mit den alten Herrschaften unterhalten und sie dann mit seiner Kamera aufgenommen. Sie haben sich nicht extra zurechtgemacht, sondern sind so abgelichtet, wie sie ihren Alltag verbringen.

Mia Henke aus Neuss etwa trägt immer feinen Schmuck und leichten Puder. Porträtiert auf liebevolle Weise wurden auch Frieda Hein und Gertrud Kreis. Die drei Damen sind 90, 91 und 92 Jahre alt. Einer der jüngsten ist Helmut Wende, 72 Jahre alt. Beruflich war er immer in seinem Lkw unterwegs und genießt es, im Heim ständig jemanden zum Gespräch oder einfach zum Kabbeln zu haben. Mit einem Lächeln sagt er: "Die Damen sind ja alle viel älter als ich, die können mir was erzählen."

Alle haben die Fotoaufnahmen sehr genossen: "Das ist mal etwas anderes", sagt Wende. "Es war eine Abwechslung", findet auch Irmgard Schaufler. Sie hat immer ihr Strickzeug dabei, denn sie engagiert sich mit dem Verkauf ihrer Handarbeiten für Hilfsprojekte in Pakistan, Ecuador oder Rumänien.

Die Ausstellung der Bilder hat auch auf anderer Ebene zu mehr Gespräch geführt. Es kommen Besucher, um sich die Fotos anzuschauen. Die Presse berichtet, der WDR hat einen kleinen Film gedreht. Vor einiger Zeit waren die Fotos auch im sanierten Südbahnhof ausgestellt.

Die Idee zur Ausstellung hatten Andreas Blinzler, Leiter der Senioreneinrichtung, und Fotograf Bünten. Denn Büntens Mutter lebt im Dreikönigenhaus, das wie das Gerhard-Tersteegen-Haus am Hauptbahnhof zum Neukirchener Erziehungsverein gehört. Als der Fotograf die leeren Wände im Flur sah, wollte er sie gern mit seinen Porträts schmücken. Und allen war es wichtig, dass nicht Fremde auf den Bildern sind, sondern Menschen aus dem Hause.

Die Berichte über die Ausstellung haben auch viele Freunde und Bekannte der Porträtierten zu einem Besuch oder Anruf animiert. Und so sind diese Fotos täglich im Hause präsent, häufig Gesprächsstoff - und öffnen eine oft scheinbar abgeschlossene Welt nach außen.

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