Beruf und Familie Erst Windeln wechseln, abends tanzen

Jennifer Görtzen startet mit 25 Jahren noch einmal durch. Sie zieht zwei Kinder groß und wirbelt für ihren Traumberuf bei Doctor Beat über das Parkett.

Beruf und Familie: Erst Windeln wechseln, abends tanzen
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Jennifer Görtzen liebt den Tanz. Doch ihr Hobby zum Beruf zu machen, das kam für sie lange nicht infrage. Die 25-Jährige wurde als Schülerin schwanger, ihr erster Sohn ist heute 6 Jahre alt, ihr zweiter eineinhalb.

„Ich hab mich nicht getraut, nebenbei eine Ausbildung mit diesen Anforderungen durchzuziehen“, sagt die junge Mutter. Zu schwer erschien es ihr, Familie und die Arbeit als Tanzlehrerin unter einen Hut zu bekommen — vor allem wegen der Arbeitszeiten nachmittags und abends. Sie entschied sich für einen anderen Beruf.

Das ist heute anders. Görtzen startet jetzt mit einer neuen Ausbildung bei Doctor Beat noch einmal durch. Am 1. September geht es los, in drei Jahren wird sie zur ADTV-Tanzlehrerin und kann anschließend Gesellschaftstänze unterrichten. „Dass das so klappt, ist auch Glückssache und hängt von den Menschen ab, mit denen man zu tun hat“, glaubt sie. „Ich bekomme viel Unterstützung von meiner Familie, aber auch von der Tanzschule.“

Ihr Mann oder ihre Eltern kümmern sich um die Kinder, wenn sie am Nachmittag unterrichten geht oder künftig mehrmals vormittags für theoretisch-fachliche Inhalte nach Köln muss. Ihre beiden Chefs, Melanie Struve und Thomas Zanders, hätten sie von Anfang an mit offenen Armen aufgenommen. „Sie zeigen viel Verständnis dafür, dass ich nebenbei noch meine Familie manage“, sagt sie.

Seit mehreren Wochen ist Görtzen im Team, verbessert ihre eigene Tanztechnik, assistiert in den Kursen und hilft bei den regelmäßigen Tanzpartys. „Wir wollten erst mal sehen, ob das auch gut klappt“, sagt Görtzen. Es sei eine Art Probelauf — mit ähnlichen Zeiten wie später bei der Ausbildung. Und die junge Frau ist zufrieden. „Meine Planung läuft“, sagt sie. Ihren Tagesablauf hat sie genau geregelt. Dreimal die Woche muss sie vormittags weg, fast täglich ab 16 Uhr bis nachts steht sie in der Tanzschule in Krefeld auf dem Parkett.

„Ich finde so noch viel Zeit für die Kinder, sie sind in meiner Familie aufgehoben. Das ist mir wichtig. Meine Söhne stehen an erster Stelle. Ich will sie mit meinem Mann zusammen selber erziehen, mit ihnen Hausaufgaben machen, kochen und spielen“, sagt sie.

Zwischendrin findet sie sogar noch Zeit nur für sich. „Auch das muss sein“, sagt sie. Sie vertraut auf ein mittlerweile eingespieltes Team, auf ihre Erfahrungen der letzten Jahre und ihren Biss.

Das sei nicht immer so gewesen. Schlechte Erfahrungen, „Gegenwind und Vorurteile“ hätten sie während ihrer ersten Schwangerschaft so verunsichert, erzählt sie, dass sie die Schule für eine Teilzeit-Ausbildung zur Versicherungskauffrau aufgab.

„Das war eine Entscheidung nur vom Verstand her — ich wollte einen Beruf, der sich mit meiner Familienplanung einigermaßen vertragen sollte“, sagt sie. Viel Zeit hatte sie für ihr erstes Kind trotzdem nicht, sagt sie. Doch sie zog es durch, auch wenn sie den Beruf nach den Abschlussprüfungen an den Nagel hängte.

Jetzt, mit mehr Selbstbewusstsein, verwirklicht sie sich ihren Kindheitswunsch. Statt Hip-Hop oder Jazz war es schon als Teenie stets der Gesellschaftstanz, der ihr am meisten Freude machte — zunächst in einer anderen Tanzschule, seit Kurzem bei Doctor Beat. Sie kann seit ihrem ersten Schritt auf dem Parkett nicht genug davon bekommen, tanzt seit Jahren am liebsten mehrere Stunden täglich.

„Es ist das Miteinander, die Kommunikation eines Paares über den Körper, die mich so fasziniert“, erzählt sie. „Täglich andere Menschen dabei zu unterstützen und zu sehen, wie sie ihre Freude am Tanz entdecken und ausleben, ist für mich der schönste Beruf.“

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