Die Fastenzeit ist ein Genuss

Manfred Kühnappel ist einer der durchhält — als langjähriger Marathonläufer. Für ihn geht es in den Wochen vor Ostern ums Innehalten. Auch morgens um sechs.

Die Fastenzeit ist ein Genuss
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Stille. Absolute Stille. Dunkelheit. Fast komplette Dunkelheit. Nur Kerzenlicht flackert. Wo sonst das Sonnenlicht die bunten Kirchenfenster erstrahlen lässt, weisen die Flammen den Weg. Nur das kleine Rund um das Taufbecken ist beleuchtet. Kirchenbänke stehen an der Wand. Ganz rechts hat Manfred Kühnappel seinen „Stammplatz“, wie er schmunzelnd sagt.

Wenn um sechs Uhr morgens die „Frühschicht“ in der Josefskirche beginnt, ist der 71-Jährige dabei. Manchmal sogar schon eine halbe Stunde früher. Dann kann er es kaum erwarten, erst einmal in der vollkommenen Ruhe zu sitzen. Die halbstündige „Frühschicht“, das ist Singen, Lesen, Hören meditativer Musik. Und es ist für Kühnappel gerade in der Fastenzeit vor allem eines: „Zeit der Besinnung, die einem für den ganzen Tag Kraft gibt.“

Seit etwa 20 Jahren fastet der Krefelder. „Es fing mit Heilfasten an, zusammen mit einem Kollegen, trotz Arbeitsstress haben wir das gemacht“, erinnert sich Kühnappel, der als Konstrukteur in einem Ingenieurbüro arbeitete, an diese Tage, in denen es nur Flüssigkeit gab.

Heute verzichtet er aufs Abendbierchen, Süßigkeiten, Knabbereien zum Fernsehen oder Kuchen zum Kaffee. „Aber für mich ist diese Zeit mehr als der Verzicht auf materielle Dinge. Ich betrachte es als spezielle Wochen, in denen man in sich hineinhorcht, wieder mehr zu sich selbst findet, die Zeit nicht einfach vertrödelt.“

Dazu gehört für den Rentner, der übrigens auch als Statist im Theater mitmacht, die Lektüre eines guten Buchs. Etwa von Pater Anselm Grün, den Kühnappel einmal bei Exerzitien in einem Kloster persönlich kennenlernte, genauso dazu wie das Innehalten und Genießen schöner Ansichten oder Erlebnisse. „Wenn aus einem Asphaltloch auf dem Radweg eine kleine Blüte wächst, etwas wofür die meisten gar kein Auge mehr haben, oder meine Frau und ich die Kinder hören, die von ihren Eltern vom Kindergarten in der Nähe unserer Wohnung abgeholt werden, nehme ich das ganz anders wahr.“ Wenn ein kleines Mädchen dem Papa von ihrem Tag erzähle und ins Plappern komme, „dann geht mir das Herz auf“, sagt Kühnappel.

Er betrachte es auch als Fasten, „dem Leben gegenüber dankbar zu sein“. Beispielsweise dafür, dass er viele Jahre lang Sport treiben konnte. Marathonläufe in Duisburg und Schweinfurt, in Köln oder Monschau gehörten dazu. „Der Schönste war der in London“, erinnert er sich mit einem Strahlen in den Augen. Sogar einen Hunderter-Lauf in Brühl machte er mit und schaffte 97,5 Kilometer. Vergangenes Jahr machte er mit 70 Jahren noch beim Firmenlauf in Krefeld mit.

Derzeit erholt sich Kühnappel, der vor 40 Jahren mit Hallenturnschuhen zum ersten Mal durch den Forstwald joggte, weil er mit dem Rauchen aufhörte, von einer Knie-Operation. Ob er danach wieder dauerlaufen kann, weiß er nicht. „Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, irgendwann ist Ende. Ich bin einfach dankbar, dass es mehr als 40 Jahre lang ging. Wenn jetzt der Zeitpunkt wäre, dass ich damit aufhören müsste, würde es mir fehlen. Aber ich hadere nicht mit dem Schicksal.“ Er sei „im Glauben gefestigt“, und seiner Ansicht nach sei „vieles im Leben vorbestimmt“. Das sagt er auch, wenn er über die — etwas zurückliegende — schwere Erkrankung seines Sohnes spricht.

Er blickt nach vorne. Für die Zukunft hat er sich vorgenommen, dem Beispiel seiner Frau Hildegard zu folgen, die seit Jahren ehrenamtlich im Josefshaus tätig ist. Sollte mit seinem Knie alles gut gehen, will Kühnappel sich auch unentgeltlich engagieren — vermutlich für Arbeitslose.

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