Der begnadete Tischler

Für einen außerwöhnlichen Schreibtisch, den er in einer Freizeit baute, hat Wladimir Butsch einen Staatspreis erhalten.

Krefeld. Er war 16, als es ihn und seine Familie aus Kasachstan nach Deutschland verschlug. Er sprach kaum ein Wort Deutsch und wusste nicht so recht, welche berufliche Richtung er einschlagen sollte. Ein ganzes Jahr besuchte er einen Intensiv-Sprachkurs. Als sein älterer Bruder den Beruf des Tischlers ergriff, kam eins zum anderen.

Wladimir Butsch spricht heute nahezu akzentfrei Deutsch und ist nun ebenfalls Tischler. Und zwar ein ziemlich begnadeter. Soeben hat ihm die Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk Nordrhein-Westfalen den begehrten Staatspreis für das Kunsthandwerk in NRW für den Bereich Holz verliehen.

Aus den 362 Anmeldungen wurden acht Preisträger in verschiedenen Kategorien ermittelt. Wladimir Butsch war völlig überrascht, als er gerade mal eine Woche nach Einreichung die gute Nachricht erhielt.

Was ist so besonders an dem Objekt von Butsch, einem Schreibtisch? Der Betrachter erkennt nur Linie und Fläche. Fünf Millimeter dünn ist die Kante des 2,30 Meter langen Schreibtischs, der ganz auf Nägel, Schrauben und Splinte verzichtet, durch eine klare Linie besticht, veredelt mit weißem, glänzenden Klavierlack. Die Tischplatte ist hauchdünn wie Esspapier, doch der lichte Schein trügt. Stabilität wird erzielt durch eine verborgene leichte Wölbung unterhalb der Tafel.

Wie ist er auf die Idee gekommen? Wladimir Butsch zuckt lächelnd mit den Achseln: "Das passiert einfach." Sein Chef, Jochem Reichenberg von Reichenberg-Weiss, bestätigt: "Selbst ein schlechter Film kann Ausschlag für einen guten Entwurf geben." Was auch immer Butsch inspiriert hat, seine Idee setzte er in gut 200 Stunden um, nach Feierabend in der Werkstatt seines Arbeitgebers, mit dessen Einverständnis. Das Unternehmen scheint seine Mitarbeiter zu beflügeln. "Mit Wladimir Butsch sind wir zwei Staatspreisträger, drei Bundessieger und vier Landessieger ,Gute Form’, vier Preise von ,Junges Handwerk’, von den Kammer- und Innungssiegern mal abgesehen", berichtet Reichenberg.

"Versuch und Irrtum", das müsse man einfach zulassen, wenn man mit verschiedenen Materialen wie Holz, Stahl, Glas und Kunststoff arbeitet. Noch ist das preisgekrönte minimalistische Möbelstück im Rahmen der "Manu factum" zu sehen. Wollte man es kaufen, müsste man um die 12000 Euro berappen. Künftig wird es wohl einen Ehrenplatz zuhause bei Familie Butsch bekommen. Das Preisgeld von 5000 Euro will der Tischler in das soeben gebaute Haus einbringen.

Nächste Stationen: Pariser Möbelmesse, danach geht es nach Moskau. Die knappe Freizeit verbringt Butsch am liebsten mit seiner Frau und den beiden Söhnen. Welche Pläne hat er für die Zukunft? Er lächelt verschmitzt. "Ich werde einen Angelschein machen, damit ich mit meinen Jungs fischen gehen kann."

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