Dendemann-Konzert: Der Nesthocker mit dem Porno-Balken

Mehr Ironie geht nicht: Rapper Dendemann erscheint als Fleisch gewordene Modesünde und bringt die Kufa zum Toben.

Krefeld. "Vom Vintage verweht" heißt seine neue Platte - und so sieht er auch aus, der Dendemann. Als er am Freitag die Bühne der Kulturfabrik betritt, trägt der deutsche Musiker eine hellblaue ausgewaschene Röhrenjeans, dazu eine farblich abgestimmte Jeans-Jacke, auf dem Kopf einen Vokuhila - eine der größten optischen Sünden der 80er Jahre - und eine falsch herum aufgesetzte Trucker-Kappe. Als Krönung hat er sich einen Oberlippenbart stehen lassen, der in dieser Form im Volksmund auch liebevoll "Porno-Balken" genannt wird. Ein bisschen erinnert er an den jungen Wolfgang Petry.

Überraschend mag dieser neue Stil erst einmal für alle sein, die noch den alten Dende kennen. 1998 war er mit Eins Zwo einer der hellsten Sterne am deutschen Hip-Hop-Himmel. Mit seiner markanten Stimme und einem Lungenvolumen, das seinesgleichen sucht, rappte er kluge, wortwitzige Texte zu Beats von DJ Rabauke. Heute, in den Zeiten von Bushido, Massiv und Co., hat er einen neuen Weg eingeschlagen: den des "astreinen Garagen-Raps", wie es in dem Song "Die freie Radikale" heißt.

Dendemann ist 2010 mit Band und DJ unterwegs - und lässt auf der Bühne die Sau raus. Die Musiker zitieren große Werke von AC/DC bis Jay-Z und spielen Songs wie "Stumpf ist Trumpf" von Dendes neuem Album. Aber auch die Fans der älteren Stücke - sei es vom Album "Die Pfütze des Eisbergs" oder von Eins Zwo - kommen auf ihre Kosten.

Der Mann am Mikro singt und rappt rasant, und so fehlt fast die Zeit zum Zuhören. Aber wer Dendemanns Texte kennt, weiß, dass sie so ironisch wie sein neues Outfit sind und mit verbalem Feinsinn glänzen, statt den Zuhörer mit jenem Vorschlaghammer zu malträtieren, der heute im Hip-Hop üblich ist.

Zum Auftakt des Konzerts besingt er den "Nesthocker" als "vom Pech geächtet, vom Glück verfolgt" und kommt auch für sich zur Einsicht: "Ich hab viel gekriegt, noch und nöcher. Nein, mein Amor hat kein Loch im Köcher". Deshalb rät er: "Bleib Optimist, geh mal raus ohne Schirm. Es wirkt echt super gegens Klaustrophobiern. Ich mein ja nur, es wäre wert mal auszuprobieren, denn manche von uns können sich auch zu Hause verirren."

Verse zum Schmunzeln, rockig umhüllt - das macht einfach Spaß. Und so passiert in der leider nur halb gefüllten Kulturfabrik ein kleines Wunder: Die Leute tanzen, feiern und lassen sich mitreißen - bis in die letzte Reihe. Weniger als 400 Konzertbesucher amüsieren sich für 1100, die sonst in die Halle passen. Am Ende muss Dendemann unter hartnäckigen Zugabe-Rufen noch zweimal auf die Bühne. Er hat es selbst während des Auftritts gesagt: "So stumpf kommen wir nicht mehr zusammen."

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