Amoklauf: Hauptschüler gehen dem Thema spielend nach

Monatelang befassten sich Jugendliche der Stephanusschule mit Ursachen und Folgen. Das Ergebnis: ein toller Theaterabend.

Krefeld. Beim Abschlussball der zehnten Klassen kommt es zur Eskalation. Drei maskierte junge Leute stürmen den Schulsaal und richten ihre Pistolen auf die Feiernden. Schnitt: Zwei junge Schauspielerinnen treten auf die Bühne. "Hätte man das vorhersehen können?", fragen sie.

Das Theater bietet die Möglichkeit, die Zeit zurückzudrehen, und davon machte das Drehbuch-Team der Theatergruppe der Stephanusschule Gebrauch. Nach der Vorlage "Amok - Ich knall euch ab" von Morton Rhue wagen sie bei ihrer Aufführung am Mittwoch im Theater Hintenlinks einen Sprung zurück.

Alles fing damit an, dass in der siebten Klasse Brandon neu dazu kam. Für Sam, den coolen Cliquen-Chef, wird er gleich zum Ziel. Provokationen, Demütigungen, verbale Auseinandersetzungen, Gruppenzwänge unter den Mitschülern, sich für Sam oder Brandon zu entscheiden - die Klasse teilt sich in die "Coolen" und die "Loser". Die Eskalation ist vorprogrammiert, denn die Erwachsenen in dem Stück verfestigen die Fronten durch Feigheit, Unterwürfigkeit, Blindheit und Desinteresse.

Sam und seine Clique bestimmen inzwischen auch mit direkter und indirekter Unterstützung der Lehrer und Eltern, wo es lang geht. Beim Abschlussball kommt es dann zum Knall. Brandon, Gary und Emily wollen ein Blutbad unter ihren Mitschülern anrichten, aber die Dinge entwickeln sich anders, so dass die drei Amokläufer als Ausweg nur noch den Selbstmord sehen.

Bewusst hat das Drehbuch-Team der Schüler um Leiter Michael Cornély die Ereignisse in den USA spielen lassen - obwohl der Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen, der Amoklauf von Winnenden war.

Für die 13- bis 18-jährigen Schauspieler - Schüler und Ehemalige der Stephanusschule - brachten die 14 Monate Arbeit am Theaterstück neben dem Spaß am Spiel auch eine starke Sensibilisierung für das Thema Mobbing. Die 18-jährige Natascha Colhorn sagt: "Durch die Mobbing-Szenen konnte man sich gut in einen Amokläufer hineinversetzen." Jenny Dahmen (17) findet: "Man hat ein Gefühl dafür bekommen, wie sich das in Wirklichkeit abspielen könnte".

Diese zum Glück nur theoretischen Erkenntnisse haben bei den jungen Leuten zu mehr Verantwortungsgefühl geführt und zum Mut, selber dazwischen zu gehen: "Ich habe schon bei Mobbing-Aktionen in der Schule eingegriffen und bin dann mit dem gemobbten Schüler zum Psychologen gegangen", sagt die 18-jährige Tanja Nießen. "Wenn man es weiß, dann hilft man", erklärt auch Stephanie Louven (17). "Kleinigkeiten in der Klasse fallen einem sofort auf. Man muss reagieren, wenn jemand gemobbt wird", findet Mohamed von Bongartz, 14 Jahre alt.

Für den Lehrer Michael Cornély war dieses Projekt auch eine gute Gelegenheit, einem Schüler zu einer "Metamorphose" zu verhelfen. So musste ein oft aufbrausender Junge die Rolle eines Mobbing-Opfers übernehmen. Bei dem meist guten Miteinander in der Stephanusschule - "wir haben keine Schlägereien auf dem Schulhof" - war es für die Jungschauspieler hingegen nötig, in Sachen Kampf und Aggression etwas Schauspielunterricht zu bekommen. Auf der Bühne lieferten die Teenager einen starken Auftritt und ernteten großen Applaus für ihre Leistung.

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