Katholische Kirche Sex-Skandal - Sogar 3-jähriges Kind im Erzbistum Köln missbraucht

Köln/Aachen · Zwischen 1946 und 2015 wurden insgesamt 135 Minderjährige zum Opfer von Priestern und Diakonen.

Nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie in Fulda stellten die Bistümer Köln und Aachen ihre Zahlen vor.

Nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie in Fulda stellten die Bistümer Köln und Aachen ihre Zahlen vor.

Foto: dpa/Harald Tittel

Für Markus Hofmann, den neuen Generalvikar des Erzbistums Köln, war es die erste Pressekonferenz. „Das Thema ist beschämend für mich als Priester und auch für die Kirche.“ Knapp fünf Monate nach seiner Amtseinführung oblag es Hofmann, am Tag der Vorstellung der Missbrauchsstudie vor den Bischöfen in Fulda anschließend die Fallzahlen im Erzbistum Köln zu kommentieren.

Nach Angaben des Interventionsbeauftragten Oliver Vogt sind den Forschern nach der Auswertung der Akten des Erzbistums zwischen 1946 und 2015 insgesamt 81 Diözesanpriester, vier Ordenspriester und zwei Diakone als Beschuldigte gemeldet worden. 33 von ihnen waren bei der Meldung des Missbrauchs bereits verstorben. Ihnen allen wurden 119 Fälle sexuellen Missbrauchs zugeordnet – mit insgesamt 135 Betroffenen. Deren Alter lag bei der Ersttat zwischen drei und 18 Jahren. Bei 103 der Opfer handelte es sich um Jungen, bei 32 um Mädchen.

Die überwiegende Zahl der Minderjährigen hatte zum beschuldigten Priester oder Diakon eine kirchliche oder seelsorgerische Beziehung, beispielsweise über die Ministrantenarbeit, die Erstkommunion- oder Firmvorbereitung oder Jugendarbeit. Bei 65 Prozent der Taten handelte es sich nach Angaben des Bistums um „Hands-on“-Taten, die mit körperlicher Berührung bis hin zur Penetration verbunden waren. Bei den restlichen Fällen ging es um das Zeigen pornografischer Materialien, Exhibitionismus oder die Aufnahme pornografischer Fotos.

Vier Priester aus dem Klerikerstand ausgeschlossen

Nach der Auswertung der Personalakten hat es bei 21 Beschuldigten, die bei Meldungseingang noch lebten, Maßnahmen gegeben, die von der Frühpensionierung bis zum Ausschluss aus dem Klerikerstand in vier Fällen reichten. Bei den meisten Fällen, in denen eine Sanktion ausblieb, stand Aussage gegen Aussage.

Seit 2011 hat das Erzbistum Köln an 100 Opfer eine Summe von insgesamt gut 620 000 Euro ausgezahlt. Für 22 Personen wurden auch die Therapiekosten übernommen.

Hofmann räumte ein, dass es bei den Akten vor 2010 erhebliche Defizite gibt. „Wir haben in Akten Lücken gefunden“, ergänzte Vogt. Für Hinweise auf sexuellen Missbrauch seien auch Nebenakten geführt worden. „Und es wurden auch Akten vernichtet.“ Daher sei klar, dass die Zahlen nur die Spitze des Eisbergs darstellen. „Unsere Bitte ist nur, dass sich die Betroffenen melden.“

Die Durchsicht von insgesamt 2155 Personalakten und weiteren Unterlagen erfolgte unter der Aufsicht eines pensionierten Oberstaatsanwalts. Das Erzbistum will zudem eine weitere unabhängige Untersuchung in Auftrag geben, um alle bekannten Fälle noch einmal zu überprüfen und zu ermitteln, ob sie im Einklang mit den damaligen rechtlichen Vorschriften behandelt wurden.

Seit der Intensivierung der Präventionsmaßnahmen seien, so die Präventionsbeauftragte Manuela Röttgen,  die Meldungen von Fällen sexuellen Missbrauchs deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig hätten die Meldungen von Grenzverletzungen zugenommen – für sie ein Hinweis darauf, dass die Sensibilität bei dem Thema zugenommen habe.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum Köln reagierte „schockiert und betroffen“ auf die Zahlen aus Fulda und Köln. „Es müssen drängende Fragen diskutiert werden“, forderte der Vorsitzende Volker Andres. „Wie können in der Priesterausbildung vertrauensvolle Räume geschaffen werden, um über die eigene Sexualität zu sprechen? Wie gehen wir mit dem Zölibat, den bestehenden Machtstrukturen und der Klerikalisierung um?“

Auch das Bistum Aachen erläuterte am Nachmittag seine Missbrauchsfälle. Hier wurden zwischen 1934 bis 2015 insgesamt 55 Männer des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. 86 Kinder und Jugendliche waren betroffen. 65 Prozent von ihnen waren bei der Tag jünger als 14 Jahre.  Ein Fazit nach der Auswertung: „Ganz offensichtlich ist auch im Bistum Aachen bis in die späten siebziger Jahre der Schutz der Institution Kirche über den Schutz der Betroffenen gestellt worden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort