Zwischen Curry und Bollywood

Viele Inder, die in Düsseldorf leben, mussten sich lange an die fremde Kultur gewöhnen. Doch ihr Land liegt längst auch hier im Trend.

Düsseldorf. Viele Inder, die in Düsseldorf leben, mussten sich lange an die fremde Kultur gewöhnen. Doch ihr Land liegt längst auch hier im Trend.Von Corinna WolberIn der Küche der Adolf-Reichwein-Schule bereiten die Teilnehmer eines indischen Kochkurses unter der Anleitung von Sobha Settle (49) Mango-Chutney, Safranreis und Lamm mit Spinat zu.

Dazu gibt es einen würzigen Tee, der ein bisschen an Weihnachten erinnert und auf den Herbst einstimmt. Die vielen frischen Zutaten, bunten Gewürze und der Duft im Raum lassen einem schon beim Zuschauen das Wasser im Mund zusammen laufen.Sobha Settle ist eine von knapp 1.000 Indern, die in Düsseldorf leben und gehört damit zu einer eher kleinen Bevölkerungsgruppe.

"Das Land ist überwiegend arm, doch die meisten Inder, die nach Deutschland kommen, sind außerordentlich gut ausgebildet", sagt Dirk Matter, Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer in Düsseldorf. Er berichtet von Familien, die vor Jahren vollkommen mittellos hier angekommen sind, Unternehmen gegründet haben und zu Wohlstand gelangt sind.

Doch Sobha Settle hat ihr Heimatland vor 20 Jahren der Liebe wegen verlassen. Ihren Mann, einen Deutsch-Engländer, hat sie in Vijayawada in Südindien kennengelernt, weil er dort Entwicklungshelfer war. "Aber mein Vater wollte die Hochzeit nicht", erzählt sie. Es sei in traditionellen indischen Familien nicht üblich, einen Mann aus einer anderen Kultur zu heiraten, noch dazu mit einer anderen Hautfarbe.Doch er ließ nicht locker, hat beim Vater immer wieder um Sobhas Hand angehalten.

"Mein Bruder hat ihn dann in Deutschland besucht und überprüft", sagt sie. Als klar war, dass er ein normales Leben führte und keine zweite Frau hatte, durfte schließlich in Indien geheiratet werden, und sie gründeten in Deutschland eine Familie. Doch die Kontraste zur Heimat könnten kaum größer sein. Zwar liegt Indien voll im Trend: Die Welle der Schmachtschinken aus Bollywood hat uns längst überrollt, und auch Ayurveda, Yoga, Räucherstäbchen und mit Minispiegeln verzierte Kissen haben sich zu Longsellern entwickelt. In Düsseldorf gibt es einige Läden, in denen man indische Lebensmittel, Filme, Musik und landestypische Deko kaufen kann.

Aber in Deutschland erhältliche Utensilien und moderne Wellness-Praktiken ersetzen Sobha Settle nicht ihre Heimat, der Kulturschock bei ihrer Ankunft war groß. "Am Anfang war alles schwierig. Die Kultur, das Wetter, die Sprache, die Kleidung - alles war mir fremd", erinnert sie sich.

"Bevor ich hierher kam, hatte ich noch nie eine Hose getragen", sagt sie lachend und zeigt ein paar Familienfotos. Da sieht man einfache Hütten, unasphaltierte Straßen, Frauen in Saris, Menschen, die gemeinsam auf dem Boden sitzen und essen. Und eines haben alle Bilder gemeinsam: Die Menschen lachen und strahlen Zufriedenheit aus. "Bei uns geht nichts über die Familie", sagt Settle, die sechs Geschwister hat. Man macht alles zusammen, achtet die Alten, lebt Gemeinschaft.

Und zu der gehört das Essen. Jedes Mädchen wird schon früh in die Kunst der indischen Küche eingeweiht. Vor ein paar Jahren fiel Settle dann im Programm des ASG-Bildungsforums auf, dass es zwar viele Kochkurse im Angebot gibt, aber keinen für indische Küche. Seitdem bietet sie Kurse an - und ist regelmäßig ausgebucht. Denn auch die indische Küche ist "in". In vielen Restaurants in Düsseldorf kann man sich Wettbewerbe darüber liefern, wer sein Essen am schärfsten verträgt.Aber Indien ist nicht nur das Land der bunten Kleider, schnulzigen Filme und bunten Gewürze.

Das Land hat strukturelle Probleme, jeder dritte Inder lebt von weniger als einem Dollar am Tag. Gleichzeitig erlebt das Land einen Wirtschaftsboom, der aber nur bei einem Bruchteil Menschen ankommt. Schwierig ist auch die große Sprachenvielfalt. Zu den Amtssprachen Hindi und Englisch kommen 17 gleichberechtigte Regionalsprachen. "Und die sind in der internationalen Literaturszene total unterrepräsentiert", weiß Nirmalendu Sarkar (70). Er lebt seit 1966 in Düsseldorf - und daran war vor allem Heine Schuld.

"Als junger Mann las ich die Lyrik des Düsseldorfer Dichters in englischer Übersetzung", erzählt er. Und hatte fortan den Wunsch, Heine und andere deutsche Literaten im Original zu lesen. Er besuchte einen Deutschkurs in Kalkutta und kam dann zunächst nach Köln, wo er eigentlich nur für ein halbes Jahr bleiben wollte.

Aber dann hat er doch BWL studiert und danach jahrelang als Wirtschaftsprüfer in Düsseldorf gearbeitet.Die Liebe zur Literatur ist geblieben. Sarkar liegt es am Herzen, die regionalsprachliche Literatur aus Indien zu fördern. "Die berühmten Autoren schreiben alle in Englisch", sagt er. Die anderen finden oft keine Übersetzer und erscheinen nicht im Ausland. Deshalb hat Sarkar den Verein Literaturforum Indien gegründet und trägt so dazu bei, diesen Zustand zu ändern. Ein bisschen holt er sich so auch seine Heimat nach Deutschland. Er vermisst seine Kultur, Land und Leute.

"In Indien lächeln selbst die Ärmsten", sagt er über sein Land. "Aber in Deutschland sind sogar die Reichen unzufrieden."Das weiß auch auch Shaidul Islam, der im Punjab Store indische Lebensmittel verkauft und die Unterschiede zwischen den beiden Kulturen kennt. "Wir opfern viel für Familie und Freunde", sagt er. "Das bedeutet, dass wir uns mehr umeinander kümmern als viele Deutsche - und das macht uns eben glücklich."

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