Projekt: Gehörlose Kinder mit ausgeprägtem Taktgefühl

Gerricus-Schüler haben an einwöchigem Hip-Hop-Workshop teilgenommen.

Gerresheim. Irgendwie anders - so fühlen sich gehörlose und schwerhörige Kinder im Alltag oft. Weil sie nicht wie andere Kinder sind, trauen sie sich deswegen manchmal auch nicht soviel zu. "Viele sind so schüchtern, dass sie kaum sprechen", sagt Birgit Martin, Lehrerin an der Gerricus-Schule mit Förderschwerpunkt Hören.

Um das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, unternimmt die Schule daher viel, zuletzt in Form eines Hip-Hop-Workshops. In einer Woche haben die Kinder mit Trainern des gemeinnützigen Vereins Kabawil eine anspruchsvolle Choreographie zu fetziger Musik einstudiert. Gehörlose und Musik? Das muss offenbar kein Widerspruch sein.

Am Tag der Premiere laufen die rund 40 Kinder aufgeregt durch die Turnhalle, es ist für sie eindeutig kein Tag wie jeder andere. "Die Choreographie zu lernen war ganz schön anstrengend", sagt Takuro (15). "Aber es hat viel Spaß gemacht."

Er hat die Hauptrolle übernommen und spielt die Figur "Irgendwie anders" aus dem gleichnamigen Kinderbuch. "Er ist in dem Buch von den anderen Kindern isoliert, weil er eben anders ist", erklärt Benjamin(15). "Das beschreibt Gefühle, die wir auch alle schon erlebt haben." Am Ende findet er eine Freundin, die auch nicht wie die anderen ist.

Beim Hip-Hop-Projekt geht es darum, diese Geschichte tänzerisch darzustellen. Und wer dachte, dass gehörlose Kinder keine Musik fühlen können, wird schnell eines Besseren belehrt. Sie wirbeln herum, tanzen komplizierte Schrittfolgen, klatschen im Takt.

"Sie spüren die Musik", sagt Othello Johns, der die Choreographie mit den Klassen einstudiert hat. "Sie sehen, was ich vortanze und benutzen mich als Spiegel. Tanzen kann man auch mit den Augen lernen." Er ist sicher, dass sich auch die komplett gehörlosen Kinder die Musik vorstellen können. "Auf jeden Fall spüren sie die Vibrationen, die durch den Boden kommen."

Und dann geht es endlich los: Tänzer und Publikum sind ausgelassen, alle strahlen über das ganze Gesicht. Die Tanzgruppe reißt alle mit, fordert schließlich zum Mittanzen auf - am Ende hält es keinen mehr auf den Stühlen. "So was habe ich noch nie erlebt", sagt Kübra (15). "Das war ganz toll für die Gemeinschaft."

Davon ist auch Birgit Martin überzeugt. "Die Choreographie hat vor allem über Teamwork funktioniert", sagt sie. "Das hat die gegenseitige Akzeptanz enorm gefördert." Außerdem sei es wichtig, den gehörlosen und schwerhörigen Kindern zu zeigen, dass sie etwas können. "Die emotionale Seite des Projekts darf man nicht vernachlässigen.

Hier ging es nicht wie in Mathe nur um den Verstand, sondern um die ganze Person", meint sie. Die Kinder könnten sehr stolz auf sich sein. "Ich will auf jeden Fall weiter tanzen", sagt Kübra. "Am liebsten afrikanisch. Othello hat uns so tolle Sachen gezeigt."

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