In der Mitte angekommen

In Düsseldorf leben rund 9.000 Afrikaner. Die meisten führen ein normales Leben, haben aber auch mit Vorurteilen zu kämpfen.

Düsseldorf. Die Straße im Unterbacher Wohngebiet könnte kaum idyllischer sein. Die Vögel zwitschern, die Vorgärten sind sauber, hier kennt jeder seinen Nachbarn mit Namen. Mittendrin: Die Praxis von Josette Hentsch (40), Zahnärztin, gebürtige Kamerunerin, schwarz. Seit 19 Jahren lebt sie in Deutschland und fühlt sich voll in die Gesellschaft integriert.

Hier hat sie geheiratet und eine Familie gegründet, die Praxis hat sie mit Hilfe eines Bankkredits vor zwei Jahren übernommen. "Ein gutes Medizinstudium wäre in dieser Form in meinem Heimatland leider nicht möglich gewesen", sagt die fröhliche Frau, die eigentlich permanent lächelt. Aber leicht war es für sie nicht immer, die Vorurteile gegenüber Schwarzen seien immer noch enorm.

"Leider denken viele, dass alle Afrikaner am Bahnhof mit Drogen handeln." Sie selbst ist das beste Beispiel dafür, dass das nicht stimmt.

Und genau das möchte sie in der afrikanischen Gemeinschaft in Düsseldorf mitteilen: dass es jeder, unabhängig von seiner Herkunft, durch Bildung zu etwas bringen kann. Deshalb hat sie mit mehreren anderen Afrikanern vor drei Jahren den Düsseldorfer Verein Afro-Horizont gegründet.

Der Zusammenschluss afrikanischer Menschen sieht seine Hauptaufgabe darin, auf die Relevanz von Bildung aufmerksam zu machen, vor allem unter den Landsleuten. "Ohne Bildung geht nichts", sagt Hentsch. "Für das Selbstbewusstsein der Menschen ist es unabdingbar, dass sie sprachlich und intellektuell Schritt halten können und sich nicht verstecken."Doch die Menschen leben verstreut im Stadtgebiet, sind kaum organisiert - feste Strukturen und Anlaufstellen gibt es wenig. "Die" afrikanische Community gibt es außerdem nicht, denn der riesige Kontinent beherbergt nicht weniger als 53 Staaten, die Bevölkerungsstruktur ist also sehr heterogen, und auch in Deutschland sieht das kaum anders aus.

In Düsseldorf leben rund 9.000 afrikanische Menschen, doch lediglich die Kölner Straße ist eine gute Anlaufstelle für afrikanisches Flair: Dort findet man viele afrikanisch geführte Supermärkte mit regionalen Spezialitäten wie Riesenschnecken, Kochbananen und afrikanischen Spirituosen. Doch auch Reis, Gemüse, Fisch, Hygieneartikel und Stoffe sind im Angebot. Auch viele Friseursalons, Reisebüros und Bekleidungsgeschäfte findet man auf der Kölner Straße auf engem Raum. Einige wenige afrikanische Restaurants sind in der Stadt verteilt. Afrikanische Discotheken gibt es momentan nicht, ab und an finden Veranstaltungen "zur Untermiete" statt, etwa in Kulturzentren.

"Wir erreichen die Menschen deshalb am besten in ihren Gottesdiensten, denn sehr viele sind gläubig", sagt Hentsch. "Wir appellieren zum Beispiel an Pastoren, nicht in ihrer Landessprache zu predigen." Denn sie seien Respektpersonen und könnten darauf hinwirken, dass sich Afrikaner viel selbstverständlicher darum bemühen, richtig Deutsch zu lernen - der Schlüssel zur Bildung.

In der New Life Church in Flingern etwa predigt der ghanaische Pastor Richard Aidoo auf Englisch, die Südafrikanerin Jacquie Kaltwasser übersetzt ins Deutsche.

Auch Jacquie Kaltwasser fühlt sich in Deutschland zu Hause, ist aber dennoch froh, in der Kirche auch ihre afrikanische Kultur ausleben zu können.

"Unsere Art ist sehr offen und frei, das finden wir unter Deutschen nicht sehr oft", sagt sie. Betritt man die Kirche zum dreistündigen Gottesdienst, fällt einen die Lebensfreude regelrecht an. Es wird laut gesungen, geklatscht und getanzt. Es herrscht ein einziges Kommen und Gehen, eine starre Liturgie oder feste Abläufe gibt es nicht. Sofort wird man begrüßt, zu einem freien Platz begleitet, von der positiven Stimmung angesteckt und mitgerissen.Schön, gut und wichtig finden Josette Hentsch und ihre Vereinsfreunde das, aber diese aufgeschlossene Stimmung zeige auch nur eine Facette afrikanischen Lebens. "Wir müssen beweisen, dass wir mehr können als gut singen und tanzen", findet sie.

Erst wenn das folkloristische Afrikabild aus den Köpfen der Menschen verschwinde, könne die Integration gelingen. "Die meisten leben doch total normal", meint sie. Oft werde ein komplett falsches Bild gezeichnet, das der Lebenswirklichkeit der Menschen gar nicht entspreche. "Als ob wir den ganzen Tag trommeln und singen würden", sagt sie schmunzelnd und durchaus auch ein bisschen kopfschüttelnd.So sehen das viele Afrikaner, die sich die Ankunft in der Mitte der Gesellschaft wünschen.

Der freie Journalist und Mitstreiter Hentschs bei Afro-Horizont, Vincent Djeumo, sagt es so: "Wir wünschen uns, dass die Deutschen irgendwann stolz auf ihre afrikanischen Mitbürger sind." Viele seien zu Anstrengungen bereit, wollten sich unbedingt integrieren, irgendwann ganz normal im Stadtbild sein. "Wir identifizieren uns mit Deutschland, wir haben dem Land viel zu verdanken", sagt Hentsch. "Respekt von beiden Seiten und gute Bildung für alle - das wünschen wir uns."

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