Gerresheim: 418 Jahre älter als die Stadt

Der Stadtteil im Osten wurde 870 erstmals erwähnt und 1909 eingemeindet.

1909 wurde das stolze Gerresheim quasi zum östlichen Stadtteil des Emporkömmlings Düsseldorf degradiert. Diese Unterordnung war freilich von einflussreichen Gerresheimern selbst eingefädelt worden — von der „Glashütten-Familie“ Heye und der Bürgervereinigung Gerresheim. Die Stadt Düsseldorf ihrerseits ließ sich nicht zweimal bitten, zu lukrativ erschien die kapitale Mitgift namens Glashütte.

Etliche Gerresheimer hingegen bedauerten damals den Verlust ihrer Unabhängigkeit. Schließlich wähnte man sich über 400 Jahre älter als Düsseldorf (gegründet 1288) — denn urkundlich wurde erstmals schon 870 die Siedlung „Gerichesheim“ erwähnt. Im 12./13. Jahrhundert erlebte das vom fränkischen Grafen Gerrich gegründete Stift eines christlichen Frauenkonvents seine Blüte, bis heute zeugen davon die herrliche romanische Basilika St. Margareta mit dem Stiftsgebäude und dem Gerricusplatz davor.

In der Neuzeit ging es dann — etwa durch den Niedergang des Stiftes im 16. Jahrhundert — durchaus auch mal bergab mit Gerresheim. Mit der Industrialisierung, namentlich der Gründung der Glashütte 1864 durch Ferdinand Heye, aber wuchs die Bedeutung rasant. Die Glashütte beeinflusste bis zu ihrer Schließung 2005 das Leben Gerresheims und seiner Bewohner — vom Siedlungsbau über das Vereinswesen bis zu den Einwanderern. Schon ab 1866 wurden Glasmacher aus Polen, Russland oder dem Baltikum angeworben; in den 50er-Jahren folgten die bis heute rings um die Heyestraße präsenten Italiener, übrigens auch deshalb, weil die Gerresheimer 1932 bei Rom eine Glashütte gründeten und den Italienern seitdem ein Begriff waren.

Allerdings betraf das alles im Grunde nur den südlichen Teil des traditionell zweigeteilten Stadtteils. Der bürgerliche Norden, früher sprachen die Leute auch vom „oberen Gerresheim“, ist geprägt vom historischen Ortskern um die Basilika, von der Einkaufsmeile Benderstraße und von etlichen beliebten, aber nicht überkandidelten Wohnstraßen.

Das „untere Gerresheim“, der Süden, spielte immer rund um das Glashüttengelände, Heyestraße und Bahnhof. Hier lebte die Arbeiterschaft, die Zuwanderer. Viele persönliche Beziehungen gab es nicht zwischen den Gerresheims und wenn man sich doch mal traf, endete das nicht selten in Schlägereien.

Heute sind die Gegensätze natürlich gemildert — aber nicht verschwunden. An der unteren Heyestraße gibt es schon lange Leerstände im Geschäftsbesatz, die Gegend wartet sehnsüchtig auf das seit Jahren geplante große Wohnviertel samt Gewerbe auf dem verwaisten Glashüttengelände. Doch das kommt nicht voran, ein Problem, das man im südlichen Gerresheim nur allzu gut kennt: Auch die ewig versprochene neue Bahnhofsunterführung lässt weiter auf sich warten, jetzt wurde der Baubeginn für 2016 avisiert.

Immerhin hat sich die evangelische Kirche zum Süden bekannt: Das gelungene neue Gemeindezentrum an der Heye-/Ecke Hardenbergstraße ist ein echter Anlaufpunkt, auch wenn er mit dem Verlust von Apostel- (Benderstraße) und Gnadenkirche (Dreherstraße) erkauft worden ist.

Der schärfste Konflikt in Gerresheim wird aber nicht zwischen Nord und Süd ausgetragen, sondern zwischen Befürwortern und Gegnern eines Umbaus der Benderstraße zur Flaniermeile mit weniger Platz für die Autos.

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