Bäcker Wien: Ein Neustart mit 60 Jahren

Wolfgang Wien musste vor einem Jahr ein neues und größeres Geschäft eröffnen, um die Altersvorsorge für sich und seine Ehefrau absichern zu können.

Wolfgang Wien mit seiner Frau Sirisuk im Allee-Café an der Schirmerstraße 80.

Wolfgang Wien mit seiner Frau Sirisuk im Allee-Café an der Schirmerstraße 80.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Ein klassischer Existenzgründer ist Wolfgang Wien natürlich nicht. Bereits vor rund 35 Jahren machte der Bäckermeister sich das erste Mal selbstständig, später hatte er fast 20 Jahre eine Bäckerei mit angeschlossenem Café im Jesus-Haus an der Grafenberger Allee. Doch vor einem Jahr erfolgte erneut ein Sprung ins kalte Wasser: Der Düsseldorfer nahm 400 000 Euro in die Hand und eröffnete ein neues, riesiges Ladenlokal — im Alter von 60 Jahren.

„Ich wollte in meinem ursprünglichen Geschäftslokal bleiben“, sagt der heute 61-Jährige. „Und ich hatte auf dieser Grundlage geplant, für meine Frau und mich bis zum 70. Lebensjahr zu arbeiten, um unsere Altersvorsorge auf die Beine stellen zu können.“ Doch durch die Umbaupläne der Eigentümer des Jesus-Hauses kam es zehn Jahre vor dem Ziel anders. Wien musste nach einem neuen Lokal Ausschau halten, um zumindest die ursprüngliche Geschäftsgröße und damit die Umsätze zu halten. Am Ende wurden es dann im Industriehaus Düsseldorf mit 400 Quadratmetern deutlich mehr — mit neuem Risiko.

Dennoch glaubt Wien, dass die erneute Etappe ein guter Schritt war. „Das war die richtige Entscheidung. Wir haben von Anfang an das Doppelte umsetzen können.“ Dennoch sei die Bilanz unter dem Strich nur „durchwachsen“. „Wir haben an vielen Stellen ins Blaue kalkuliert.“

Und spätestens jetzt lesen sich die Erfahrungen des 61-Jährigen wie die eines Jungunternehmers. Früher habe Wien die Bäckerei an Feiertagen zumeist geschlossen. Mit dem neuen Betrieb mit 62 statt 40 Plätzen an deutlich prominenterer Stelle sollte sich das ändern: „Wir haben natürlich gedacht, dass an Feiertagen besonders viel los ist“, sagt der Düsseldorfer. Und so wurde für den ersten Weihnachtstag ordentlich gebacken. Auch die hauseigene Konditorei lief auf Hochtouren. Doch Kunden ließen sich kaum blicken. Sie hatten offenbar vorgesorgt und blieben gemütlich zu Hause. Bäcker Wien blieb auf seinen Produkten sitzen.

Auch die Terrasse des Geschäfts blieb nach der Eröffnung bis in den Sommer verwaist. „Wir mussten drei Monate auf die Genehmigung der Stadt warten“, sagt Wien, der extra für den Betrieb draußen eine zweite Kaffeemaschine angeschafft hatte. Jetzt weiß er, dass die Mühlen der Verwaltung langsam mahlen und entsprechende Anträge möglichst dann gestellt werden müssen, wenn das Geschäft noch gar nicht geöffnet hat.

Vor entscheidenden Problemen stehe Wien damit nicht, auch wenn er mit der neuen Größe des Ladens und einer geplant höheren Nachfrage größere Backöfen eingebaut und 20 Prozent mehr Kräfte (drei Verkäuferinnen, einen Bäcker, einen Konditor) eingestellt hat. „Wir haben uns auf der Grafenberger Allee unsere Stammkundschaft aufgebaut, wir haben nicht bei Null angefangen.“ 70 Prozent der Kunden stammten aus dieser Klientel. Genau das ist der Unterschied zum Jungunternehmer.

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