Kontakte, Ausgangssperre und Co. Das dürfen Geimpfte jetzt wieder

Menschen mit vollständigem Impfschutz und Genesene haben ab sofort mehr Freiheiten in der Corona-Krise. Um was es genau geht? Und wer als vollstädnig geimpft gilt? Fragen und Antworten.

 Geimpfte Menschen in Deutschland sollen bald mehr Freiheiten bekommen - auch in NRW.

Geimpfte Menschen in Deutschland sollen bald mehr Freiheiten bekommen - auch in NRW.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wer gegen das Coronavirus geimpft oder von der Erkrankung genesen ist, soll ab Sonntag in den Genuss bundesweiter Lockerungen kommen. Das Bundeskabinett beschloss am Dienstag die entsprechende Rechtsverordnung, am Donnerstag folgte der Bundestag, am Freitag hat der Bundesrat die Verordnung bestätigt. Doch um welche Erleichterungen geht es genau? Ein Überblick.

 „Das ist ein ganz wichtiger Schritt hin zu mehr Normalität“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). „Die Verordnung kann jetzt am Sonntag in Kraft treten.“ Angesichts sinkender Infektionszahlen warnte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jedoch vor Sorglosigkeit und zu schnellen Öffnungen.

Vollständig mit der nötigen zweiten Spritze geimpft sind inzwischen knapp 7,4 Millionen Menschen und damit 8,8 Prozent der Bevölkerung. Mindestens eine erste Impfung haben dem Bundesgesundheitsministerium zufolge mittlerweile 26,2 Millionen. Dies entspricht einem Anteil von 31,5 Prozent.

Spahn sagte zur aktuellen Corona-Lage: „Die dritte Welle scheint gebrochen.“ Die Infektionszahlen gingen zurück, seien aber noch auf hohem Niveau. Nun müsse der Abwärtstrend verstetigt werden. „Das geht aber nicht mit vorschnellen Lockerungen. Zu viele öffnen gerade ziemlich viel bei relativ hoher Ausgangsinzidenz.“ Spahn warnte davor, Erreichtes wieder zu verspielen. Es gebe Grund zu Zuversicht. „Zuviel Ungeduld dagegen würde nur dem Virus helfen.“ Lockerungen sollten vorrangig draußen kommen - etwa in der Gastronomie oder bei Kulturveranstaltungen und abgesichert mit Tests.

Welche Regeln gelten ab Sonntag für Geimpfte und Genesene?

Vollständig Geimpfte und genesene Menschen sind mit Inkrafttreten der Verordnung von den bislang geltenden Kontaktbeschränkungen befreit. Das bedeutet: Sie dürfen sich im privaten Rahmen ohne Einschränkungen mit anderen Geimpften und Genesenen treffen. Bei Treffen mit Ungeimpften, etwa im Familien- oder Freundeskreis, zählen Geimpfte oder Genesene laut Verordnung künftig nicht dazu.

Für die beiden Gruppen gelten von Sonntag an die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen nicht mehr. Nach Reisen müssten vollständig Geimpfte und genesene Menschen nur noch in Ausnahmefällen in Quarantäne - etwa, wenn sie aus einem Virusvariantengebiet einreisen.

Geimpfte und genesene Menschen werden zudem den Negativ-Getesteten gleichgestellt. Das heißt, sie müssen sich vor einem Friseurbesuch oder dem Termin-Shopping nicht mehr auf das Coronavirus testen lassen. Die Pflicht zum Tragen einer Maske an bestimmten Orten sowie das Abstandsgebot im öffentlichen Raum gelten aber weiterhin.

Wer gilt als geimpft?

Als geimpft gelten alle Menschen, die den vollen Impfschutz erreicht haben. Laut Verordnung ist dies der Fall, wenn nach der letzten erforderlichen Einzelimpfung - in der Regel nach der zweiten Impfspritze - mindestens 14 Tage vergangen sind. Die geimpfte Person muss als Beleg einen Nachweis auf Papier oder digital auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch vorlegen können.

Wie lange der Impfschutz anhält, lässt sich bislang nicht sagen. Dass später zusätzliche Impfungen nötig sein könnten - etwa wegen weiterer Virus-Varianten - ist nicht ausgeschlossen.

Wer gilt als genesen?

Als genesen gelten laut Verordnung diejenigen Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben - und dies mit einem positiven PCR-Labortest nachweisen können, der mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate alt ist.

Menschen, deren Erkrankung länger als sechs Monate zurückliegt, gelten im Sinn der Verordnung nicht als genesen. Der Grund: Zwar bildet das Immunsystem entsprechende Antikörper aus, diese verschwinden nach einer gewissen Zeit wieder. Ihnen wird zum Verstärken der Immunantwort eine Schutzimpfung empfohlen. Diese sollte laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) frühestens sechs Monate nach der Genesung erwogen werden.

Gibt es nun eine Impfpflicht?

Nein, die Corona-Impfung ist freiwillig. Allerdings hofft die Bundesregierung, dass sich möglichst schnell viele Menschen impfen lassen. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) erinnerte am Mittwoch daran, dass Schwangere und Kinder noch gar nicht geimpft werden könnten. „Wir sollten in den nächsten Wochen eine so klare Politik machen und die Infektionszahlen so stark reduzieren, dass es sowohl für Kinder als auch für Schwangere, nämlich für die Gesamtbevölkerung als solches, kein großes Ansteckungsrisiko mehr gibt, wenn sie Kontakte haben“, sagte Braun.

Die AfD bezeichnete die Erleichterungen für Geimpfte und Genesene bei der Debatte im Bundestag am Donnerstag hingegen als „Impfpflicht durch die Hintertür“. Ungeimpfte würden diskriminiert und Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt, sagte der AfD-Abgeordnete Ulrich Oehme.

Gleichstellung mit Getesteten

Geimpfte und Genesene werden durch die Neuregelung zudem Menschen gleichgestellt, die ein negatives Testergebnis vorweisen können - und müssen ein solches nicht vorlegen. Dies soll etwa das Einkaufen beim "Click and Meet" oder den Friseurbesuch erleichtern. Das galt bereits so auch schon in NRW.

Quarantäne

Die Quarantänepflichten für Menschen, die aus dem Ausland einreisen, gelten grundsätzlich nicht für Geimpfte und Genesene - außer wenn die Kontaktperson mit einer in Deutschland noch nicht verbreiteten Virusvariante "mit besorgniserregenden Eigenschaften" infiziert ist. Auch bei der Einreise aus einem Virusvariantengebiet gilt weiter die Quarantänepflicht.

Sport

Die Einschränkung, dass "kontaktlose Individualsportarten" nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushaltes ausgeübt werden dürfen, gilt für Geimpfte und Genesene nicht mehr.

Können Geimpfte bald such wieder ins Restaurant?

Eine solche Regelung ist in der jetzigen Verordnung nicht vorgesehen, sie könnte allerdings in einer späteren Fassung kommen. Derzeit liefe es ohnehin ins Leere, weil die Gaststätten für den Verzehr vor Ort geschlossen sind. Und einen Anspruch darauf, dass für sie ein Restaurant oder ein Geschäft öffnet, haben die Geimpften nicht.

Gilt die Maskenpflicht für Geimpfte weiter?

Ja, die Vorschriften zum Tragen von Atemschutzmasken gelten weiter auch für Geimpfte und Genesene, ebenso die Abstandsregeln.

Wie wird der Impfschutz nachgewiesen?

Ausweisen können sich die Geimpften mit dem digitalen Impfpass, der spätestens Ende Juni kommen soll. Alternativ kann aber auch der gelbe Ausweis aus Papier oder das von den Impfzentren ausgefüllte Formular vorgelegt werden.

Wie geht es nach der Freigabe von Astrazeneca für alle weiter?

Kommende Woche sollten eine Million Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs an Arztpraxen geliefert werden, kündigte Spahn an. Für diesen Impfstoff ist nach einem Beschluss von Bund und Ländern nun die Priorisierung mit einer festen Reihenfolge aufgehoben. In Absprache mit dem Arzt kann man künftig auch frei entscheiden, wann in der zugelassenen Spanne von vier bis zwölf Wochen die Astrazeneca-Zweitimpfung kommen soll.

Der Minister betonte: „Die Wirksamkeit ist umso höher, desto länger der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung ist.“ Bei vier bis acht Wochen liegt sie nach Studien bei 50,4 Prozent, bei zwölf und mehr Wochen bei bis zu 82,4 Prozent. Viele wollten sich augenscheinlich nun nicht mit Astrazeneca impfen lassen, da sie nach zwölf Wochen erst im August den vollen Impfschutz bekämen, sagte Spahn Kostenpflichtiger Inhalt auch mit Blick auf die Urlaubszeit und Lockerungen für vollständig Geimpfte. Da auch die Erstimpfung schon schütze, gebe es aber in dieser Phase der Pandemie das Interesse, dass viele Menschen sich impfen lassen.

Die Freigabe von Astrazeneca sei besonders für diejenigen attraktiv, „die nicht so schnell an eine Impfung kommen würden“, sagte Spahn. Aber angesichts begrenzter Liefermengen gelte auch weiter: „Es können nicht innerhalb von drei oder fünf Tagen oder auch von zwei Wochen alle geimpft werden.“ Bei den Menschen über 60 Jahren seien je nach Bundesland nun rund 70 Prozent geimpft. Empfohlen ist Astrazeneca nach Bekanntwerden sehr seltener Fälle von Blutgerinnseln ab 60 Jahre, aber auch Jüngere können sich damit impfen lassen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) rief voll Geimpfte zu einem „verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Glück“ auf. Sie sollten sich nicht zu überschwänglich verhalten, um Frustration und Neid derer vorzubeugen, die sich noch nicht impfen lassen können. Der Deutsche Städtetag sieht keine größeren Probleme bei der Umsetzung der Bestimmungen. Es müssten neue Regeln kontrolliert werden. „Das ist aber keine völlig neue Situation“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur.

Wie geht es in der Corona-Pandemie in Deutschland weiter?

Bis man weitgehend auf Maßnahmen und Regeln verzichten könne, müsse der Anteil immuner Menschen in der Bevölkerung deutlich über 80 Prozent liegen, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler am Freitag. Auch dann werde es noch Infektionen geben, aber keine Wellen. Er mahnte zu Vorsicht. „Zügig impfen, kontrolliert öffnen“, sagte Wieler.

Angesichts weiter gesunkener Infektionszahlen warnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor Sorglosigkeit und zu schnellen Öffnungen. Der Abwärtstrend bei den Infektionszahlen müsse verstetigt und ein Wiederanstieg verhindert werden. „Das geht aber nicht mit vorschnellen Lockerungen. Zu viele öffnen gerade ziemlich viel bei relativ hoher Ausgangsinzidenz“, warnte Spahn. Lockerungen sollte es vorrangig draußen geben, etwa in der Gastronomie oder bei kulturellen Veranstaltungen und abgesichert mit Tests.

Den Start eines digitalen Impfausweises stellte er für den Sommer in Aussicht. Einen solchen Impfpass werde es in Deutschland „in der zweiten Hälfte des zweiten Quartals“, also spätestens Ende Juni, geben. Das Dokument sei kompatibel mit den Standards der EU-Nachbarn. Der Impfpass auf Papier gelte aber weiterhin.

(AFP)
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