Kommentar Warum wir tief in der Schuld der Pflegekräfte stehen

Meinung | Düsseldorf · Viele Pflegende sind mit der Impfung noch immer zurückhaltend. Doch eine Androhung der Impfpflicht ist definitiv der falsche Weg. Was es jetzt eher braucht - ein Kommentar.

 Pflegenden sollte nicht mit einer Impfpflicht gedroht werden. Foto: dpa

Pflegenden sollte nicht mit einer Impfpflicht gedroht werden. Foto: dpa

Foto: dpa/Peter Steffen

Es ist eine absurd anmutende Diskussion. Da läuft die Corona-Impfaktion mangels genügend vorhandenem Impfstoff in quälendem Zeitlupentempo. Viele würden sich lieber heute als morgen impfen lassen. Gleichzeitig wird gerätselt, ob denn die Menschen, die mit all dem Elend an vorderster Front befasst sind, selbst mitziehen. Sandra Postel, die derzeit mit ihren Kollegen eine Pflegekammer in NRW aufbaut, sagt zur Stimmung in ihrem Berufsstand: Viele der allein in NRW 200 000 beruflichen Pflegekräfte seien „teilweise frustriert“.  Oh, wie gut sich das verstehen lässt.

Applaus in Corona-Pandemie ist nett, aber doch „arg kleine Münze“

Eine Berufsgruppe, deren Aufopferungsbereitschaft schon vor der Pandemie von der Gesellschaft ausgenutzt wurde. Eine Berufsgruppe, deren Appelle für bessere Arbeitsbedingungen inklusive Bezahlung immer wieder verhallen. Dann kam die Pandemie. Und der Applaus von den Balkonen. Nett, aber doch arg kleine Münze. Ob man den Applaus denn vielleicht sogar noch versteuern muss, fragten Zyniker. Gut, es gab ein paar Hundert Euro Corona-Bonus. Dann aber wieder an die Arbeit, härter als zuvor. Zweite Welle. Und während die noch Gesunden im Sauerland rodeln, denkt Bayerns Ministerpräsident schon über eine Impfpflicht für Pflegekräfte nach.

Nein, es braucht Information und ein Gegenhalten gegen von Impfgegnern bewusst in Richtung Pflegepersonal gestreute Falschinformationen. Was es nicht braucht: Noch mehr Fremdbestimmung gegenüber einer Berufsgruppe, die wie keine andere die dramatischen Auswirkungen der Pandemie Tag für Tag zu spüren bekommt. Die neben ihrer Pflegearbeit auch noch verstärkt Sterbebegleitung leistet.

Die täglichen Erfahrungen mit dem Tod werden ohnehin dazu führen, dass sich die Pflegekräfte, auch im eigenen Schutzinteresse, impfen lassen. Dafür bedarf es keiner Drohungen durch die Politik. Wie hat Gesundheitsminister Spahn schon früher gesagt: Man werde einander nach der Coronakrise noch viel verzeihen müssen. Gegenüber den Pflegekräften gilt das ganz besonders. Die Gesellschaft steht tief in deren Schuld. 

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