Änderung des Infektionsschutzgesetzes Bundes-Notbremse greift ab Samstag

Berlin · Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes in der Corona-Pandemie ist beschlossen. Die Bundes-Notbremse soll ab Samstag greifen - das erklärte nun das Bundesgesundheitsministerium.

 Bundesweit sollen in der Corona-Pandemie in Deutschland einheitliche Regeln gelten.

Bundesweit sollen in der Corona-Pandemie in Deutschland einheitliche Regeln gelten.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Die bundeseinheitliche Notbremse zur Eindämmung der Corona-Pandemie greift ab Samstag. Der Bundesrat billigte am Donnerstag die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, im Anschluss fertigte sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus. Damit ist der Weg für die Maßnahmen frei, zu denen auch die umstrittene nächtliche Ausgangssperre gehört. Im Bundesrat gab es heftige Kritik am Vorgehen des Bundes. Die Notbremse kommt zudem beim Bundesverfassungsgericht auf den Prüfstand.

Die Maßnahmen der Notbremse gelten in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen drei Tage lang die Sieben-Tagen-Inzidenz bei 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern lag. Auf Grundlage der Inzidenzen der letzten drei Tage bewerteten und veröffentlichten die Kommunen, welche Regeln bei ihnen am nächsten Tag gelten, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Homepage mit. Nach der Beratung am Donnerstag im Bundesrat trete die Neuregelung am Freitag in Kraft. "Das erste Mal greift das Gesetz also am 24.4.2021."

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Im Bundesrat äußerten alle sechs Ministerpräsidenten, die sich in der Aussprache zu Wort meldeten, erheblichen Unmut. Sie sahen durch die Bank verfassungsrechtliche Bedenken - insbesondere wegen der starren Notbremse - und Probleme bei der praktischen Umsetzung. Dem Bund warfen sie zudem vor, nicht die Erfahrungen der Länder in der Pandemiebekämpfung berücksichtigt zu haben. Die Länderchefs erkannten aber wegen der anhaltenden Corona-Pandemie den Handlungsbedarf an und wollten das Gesetz daher nicht aufhalten.

Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte in scharfer Form die Kompetenzverlagerung auf den Bund. „Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Die Länderkammer berate über ein Gesetz, „dessen Entstehung, Ausgestaltung und Ergebnis unbefriedigend sind“. Der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) betonte: „Ob diese Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung darstellt, dieser Beweis, der ist noch nicht erbracht. Und der muss erbracht werden.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb in der Sitzung nochmals für das Gesetz und spielte schon den Ball ins Feld der Länder zurück. „Seit Anfang März sind die Instrumente ja alle benannt, aufgeschrieben, eigentlich vereinbart und geeint, inklusive der Ausgangsbeschränkungen“, sagte er. „Und da müssen wir uns ehrlich machen: Obwohl Bund und Länder dasselbe wollen, ist bei vielen der Eindruck entstanden, wir würden nicht am selben Strang ziehen in den letzten Wochen.“ Das einheitliche Handeln, so der Eindruck, sei verloren gegangen. Das Gesetz sei „das Ergebnis all dieser Entwicklungen“.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier bezeichnete die starren Ausgangsbeschränkungen als „verfassungsrechtlich problematisch“. Es stelle sich auch die Frage, wie zum Beispiel die vorgesehenen Schulschließungen umgesetzt werden sollten. Bouffier bedauerte es, „dass der Bundestag die Chance hat verstreichen lassen, viele Erfahrungen der Länder, die wir aus einem Jahr praktischem Krisenmanagement gesammelt haben, mehr und intensiver aufzunehmen“. Das hätte die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich erhöhen können.

Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte, die Neuregelungen seien für den Infektionsschutz „kein großer Wurf“. Bei Ausgangsbeschränkungen sei die verfassungsrechtliche Zulässigkeit fraglich, er sei „sehr gespannt“ auf die Rechtsprechung. Für sein Land bedeute das Gesetz sogar erhebliche Lockerungsmöglichkeiten. Weil fasste seine Bewertung so zusammen: „Für mein Land unnötig, aber ich füge hinzu: auch unschädlich.“

Gezogen werden soll die Notbremse, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Dann dürfen Menschen ab 22.00 Uhr die eigene Wohnung in der Regel nicht mehr verlassen. Alleine Spazierengehen und joggen ist bis Mitternacht erlaubt. Es darf sich höchstens noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, wobei Kinder bis 14 Jahre ausgenommen sind.

Läden dürfen nur noch für Kunden öffnen, die einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Präsenzunterricht an Schulen soll ab einer Inzidenz von 165 meist gestoppt werden.

Das vom Bundestag am Mittwoch beschlossene Gesetz ist ein Einspruchsgesetz. Das heißt, eine Zustimmung des Bundesrates war nicht nötig. Die Länderkammer hätte aber den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen und das Gesetz damit zeitlich aufhalten können.

(afp/dpa)
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