Mein Soundtrack für den Sommer „Self Esteem“ - Der Song für den Sprung vom Beckenrand

1995 tönte „Self Esteem“ von „The Offspring“ im Freibad aus jedem Ghettoblaster. Der Hit machte die Pubertät manchmal ein wenig erträglicher.

Mein Soundtrack für den Sommer: „Self Esteem“ - Der Song für den Sprung vom Beckenrand
Foto: dpa

Düsseldorf. Die 90er Jahre. Musikalisch betrachtet war das aus meiner heutigen Wahrnehmung eher ein gesichtsloser Einheitsbrei aus Eurodance-Stampfern à la DJ Bobo, die große Zeit synchron tanzender Boybands von „Caught In The Act“ bis „Take That“ und die wohlig-harmonischen Klänge der „Kelly Family“ als Inbegriff kitschiger Familienidylle.

So richtig anfangen konnte ich 1995 mit nichts von alledem, befand ich mich doch in jenem Sommer gerade auf dem Zenit der Pubertät und war sowieso immer irgendwie dagegen. Gegen was, das wusste ich auch nicht so genau, fehlte es meiner Generation doch in den unspektakulär dahindümpelnden Schröder-Jahren an klaren Feindbildern. Doch wie es mit fast 14 Jahren so ist, muss man hin und wieder richtig Dampf ablassen.

Da traf es mein Lebensgefühl bestens, als 1995 im Rheder Freibad (ich stamme aus dem Kreis Borken im Münsterland) der Song „Self Esteem“ von der US-amerikanischen Punkband „The Offspring“ aus jedem Ghettoblaster dröhnte. Noch heute habe ich den Geruch von Chlor und fettigen Fritten in der Nase, wenn das Lied im Radio gespielt wird, obwohl man sich unter einem typischen Sommerhit sicherlich etwas anderes vorstellt.

Frontmann Dexter Holland singt darin von einer enttäuschten Liebe, auf die er immer wieder hereinfällt und ihr alles durchgehen lässt, weil es um sein Selbstbewusstsein (englisch: „Self Esteem“) eben nicht all zu gut bestellt ist. Zwar verstand ich mit meinen Englischkenntnissen der siebten Klasse nur Fragmente von dem, was Holland da mehr ins Mikrofon grölte als sang, eines kam in dem Song aber deutlich raus: Der Typ musste ziemlich mies drauf sein. Und im täglichen Wechselbad der Gefühle eines Teenies sprach mir die Musik irgendwie aus der Seele.

Schwere Bässe eröffnen das Stück, das trotz seines punkigen Sounds durchaus eine eingängige Melodie besitzt. Die Zeile „The more you suffer, the more it shows you really care“ (frei übersetzt: „Je mehr du leidest, desto mehr zeigst du, dass sie dir wirklich wichtig ist“) gab den Einsatz zum energischen Headbangen.

Auch das Musikvideo zu dem Song versprühte einen gewissen Nihilismus. Die Band spielte in einem abgedunkelten Raum, auf der Bühne ließ Dexter Holland zu zuckenden Lichtblitzen seine Rastazöpfe fliegen und immer wieder wurden wilde Stunt-Szenen eingeblendet. Was Regisseur Darren Lavett dem geneigten Offspring-Fan mit dieser Produktion sagen wollte, bleibt sein Geheimnis.

Dabei wurden aufwendig produzierte Musikvideos gerade immer wichtiger, denn zwei Jahre zuvor war gerade in Köln der erste deutsche Musiksender Viva auf Sendung gegangen. In den Jahrescharts des Jahres 1995 brachte es „Self Esteem“ immerhin auf Platz 8 — auf Platz 1 thronte Vangelis’ theatralisches Werk „Conquest of Paradise“, mit dem der deutsche Boxweltmeister Henry Maske sich endgültig aus dem Ring verabschiedete.

Auch um „The Offspring“ ist es inzwischen ruhig geworden. „Self Esteem“ war eine Single-Auskopplung ihres Erfolgsalbums „Smash“ und hatte den Jungs aus Kalifornien damals zum Durchbruch verholfen. 2012 erschien mit „Days Go By“ das letzte Album der Punkrocker, doch ist die Band immer noch aktiv und geht regelmäßig auf Tour. Zwischen ihren Alben haben Dexter Holland und seine Mannen sich immer wieder längere Schaffenspausen gegönnt, um dann mit neuer Kreativität zurückzukehren.

So viel sei verraten: So hart, wie ich es damals gern gewesen wäre, war ich als Teenager eigentlich nicht. Kaufte man sich in den 90ern noch Singles, verirrte sich durchaus auch mal ein Song von Pur in mein CD-Regal. Doch sobald heute irgendwo „Self Esteem“ erklingt, fühle ich mich wieder zurückversetzt ins überfüllte Freibad im Sommer 1995.

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