Eurovision Song Contest : Netta aus Israel gewinnt - Vier Lehren aus dem ESC 2018
Überraschend war schon, dass das Publikum im Ersten Semi-Final Russland (verdient) aus dem Wettbewerb stimmte. Das ist nicht das einzige, was sich erst recht mit dem Sieg von Netta für Israel beim ESC geändert hat. Vier Beobachtungen.
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p class="text"><h2>1.) Auf der ESC-Bühne wird der liberale Westen verteidigt
Lange Jahre war es den ESC-Verantwortlichen gar nicht recht, dass ihr ehemaliger „Grand Prix“ seine treuesten Fans vor allem unter Schwulen hatte. Das war zu der Zeit, als die CSU es neben dem Aufhängen von Behörden-Kreuzen noch nicht für ihre Kernaufgabe hielt, arabischstämmige und muslimische Zuwanderer auf die Rechte von Frauen und Schwulen hinzuweisen und zu behaupten, dass man als CSU selbst schon immer händchenhaltende Männer super gefunden habe. Beim ESC wurde die Toleranz-Erwartung aus Sorge um das eigene Fan-Publikum erst zum Thema, als die Teilnehmer- und Gastgeberländer plötzlich auch Russland oder Aserbaidschan hießen.
Gefühlt (und wahrscheinlich tatsächlich) standen nie so viele lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen auf und eben nicht mehr bloß vor der ESC-Bühne wie in Lissabon. Die einzige Gemeinsamkeit der LGBTQ-Community, nicht der sogenannten Heteronormativität zu entsprechen, gehört inzwischen längst in den Wertekanon der liberalen Demokratien.
Das haben noch nie alle Länder ertragen und sich deshalb bei er Ausstrahlung in Zensur aller Art versucht, oder sie blieben irgendwann ganz weg, wie die Türkei seit der Machtübernahme der AKP. In diesem Jahr kündigte die European Broadcasting Union dem chinesischen Sender Mango TV die Übertragungsrechte. Grund: Der Sender hatte den Auftritt des Iren Ryan O’Shaughnessy aus dem 1. Semifinale geschnitten, bei dem zwei schwule verliebte Tänzer im Mittelpunkt des Bühnenprogramms standen.
Wofür der ESC inzwischen steht, brachte Siegerin Netta in ihrer kurzen Dankesrede auf den Punkt: „Ich bin sehr glücklich", sagte sie, „danke, dass ihr den Unterschied gewählt habt. Danke, dass ihr Verschiedenheit feiert." Abzuwarten bleibt, wie lange sich in einigen europäischen Ländern wie Polen, Ungarn und Österreich die Sendeanstalten gegen andere Tendenzen verteidigen können, die mit rechten Parlamentsmehrheiten auch in die Funkhäuser schwappen.
So, wie nicht alle Länder die offenen Zurschaustellung von Homosexualität ertragen, lehnen es andere ab, gemeinsam mit Israel in einem Wettbewerb aufzutreten. Zum neuen Antisemitismus gehört auch die sogenannte „BDS“-Bewegung. BDS steht für „Boycott, Divestment, Sanctions“ und ist nichts anderes als „Kauft nicht bei Juden“. Noch in Lissabon vor der Halle wie auch europaweit im Internet machten BDS-Aktivisten Stimmung gegen Netta — und erreichten damit offenbar überhaupt nichts, wie die Televoting-Ergebnisse zeigen. Das ist ein sehr gutes Zeichen!