Digitale Verunsicherung Von Geschäften, für die wir kostenlos werben

Alles bestens. Wie beschrieben. Gerne wieder. Kunden ergießen sich in positiven Stereotypen. Das ist der Preis des Online-Kaufs: Wer bekommt, was bestellt wurde, der ist dem Händler lobende Worte schuldig.

Digitale Verunsicherung: Von Geschäften, für die wir kostenlos werben
Foto: Sergej Lepke

Also fantasieren wir uns etwas von „schneller Lieferung“, „guter Verpackung“ und „angenehmer Kommunikation“ zusammen. Dabei haben wir nie ein Wort mit dem Verkäufer gewechselt (der telefonisch eh nicht zu erreichen wäre). Schließlich hat sich der ganze Geschäftsprozess in ein paar Mausklicks, Kennwort und Banking-Daten erschöpft.

Verglichen damit ist selbst das mürrischste „Tach“ im Laden an der Ecke eine ausgefeilte Konversation. Wer wollte den Ladenbesitzer dafür loben, dass er die Ware einwickelt und in die Tüte steckt. Wer aber eine gepolsterte Versandtasche mit einer Marke beklebt, erwartet hierfür öffentlichen Beifall. Und der rasche Versand, den wir loben, ist immer allemal langsamer als die Vorkasse, zu der wir beim Online-Geschäft genötigt werden. Das Bare, das gegen die Ware getauscht wurde, ist fremdem Zugriff aufs eigene Konto gewichen. Ein Tauschgeschäft, das nicht einmal mehr Plastikgeld braucht.

Doch die Ansprüche an den Kunden gehen noch weiter. Kaum hat er bezahlt, soll er in Facebook, Twitter oder per Mail bewerben, was er gekauft hat. Wertvolle Reklame, die weder Händler noch Hersteller etwas kosten, aber mit der Reputation des Kunden das Image von Ware und Warenhaus stärken. Dabei sagt der Kauf allein nichts über Verarbeitung und Haltbarkeit des gekauften Objekts, über Seriosität und Kulanz des Verkäufers, über Erfahrungen und Zufriedenheit des Kunden aus.

Wir akzeptieren beim Online-Handel Bedingungen, über die sich jeder Ladenbesitzer freuen würde, wie Vorauszahlung des vollen Kaufpreises in der Hoffnung, irgendwann eine Ware zu erhalten. Wir lassen uns außerdem noch als wohlfeile Multiplikatoren der Schleichwerbung reklamieren. Wir sind Geldgeber, Reklameträger und nützliche Idioten in einem. Und wir danken am Ende mit einer positiven Bewertung dafür, dass wir unbeschadet erhalten, was wir bezahlt haben. Eigentlich selbstverständlich. Und selbstverständlich geben wir dann fünf Sterne. Wir verkaufen uns halt nur zum Höchstwert.

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