Oldtimer Tour: Wenn das Knattern des Motors zum Genuss wird

Berlin (dpa/tmn) - Motorenknattern, Zwischengas und traumhafte Landschaften: Eine Tour mit einem Oldtimer durch Bayern ist ein genussvolles Erlebnis - auch wenn in der alten Technik so manche Tücke steckt.

Gleich zu Beginn wird es ernst: Vom Spitzingsee, der auf rund 1000 Metern Höhe liegt, führt die Straße steil den Berg runter. Für Neulinge am Steuer der Giulia Spider bedeutet das Gefälle die erste Herausforderung. Die Oldtimer-Reise hat gerade begonnen. Noch klingt das Motorgeräusch des alten Alfa ungewohnt, da erfordert das Schalten mit Zwischengas die volle Konzentration.

Reisebegleiter Stephan, der die Autos kennt wie andere ihre Kinder, hat es vorher am Treffpunkt der Gruppe im Hotel genau erklärt: Beim Gangwechsel vom vierten in den dritten und dann in den zweiten wird jedes Mal wieder eingekuppelt, wenn der Schalthebel den Leerlauf erreicht. Dann ein beherzter Tritt aufs Gas, der Motor dreht ohne Last sekundenschnell hoch. Nun wieder auskuppeln, vorsichtig den niedrigeren Gang einlegen und endlich mit Gefühl einkuppeln.

Bei den ersten Versuchen macht das Manöver noch Mühe. Vor allem dauert das Zwischengasgeben beim Oldtimer-Anfänger viel länger als das simple Herunterschalten mit modernen Synchrongetrieben. Doch allmählich klappt die Koordination, beide Füße und die Hand am Schalthebel haben die Abläufe kapiert.

Geplant ist eine erste kurze Runde durchs bayrische Alpenland: Sandbichl, Hundham, Tiefenbach - kleine Orte wechseln sich ab mit sattgrüner, sanfter Berglandschaft. Sechs Männer und zwei Frauen haben sich auf vier Alfa-Romeo-Oldtimer verteilt. Vom Veranstalter Nostalgic aus München fahren Stephan und Johannes mit.

Kurz vor dem Ende der Eingewöhnungstour windet sich die Straße am Ufer des Schliersees entlang. Dann geht's die steile Bergstraße wieder hoch über den Spitzingsee-Sattel, bis das Hotel in Sicht kommt. Die ersten rund 40 Kilometer sind geschafft. Die Autoschlüssel werden abgeliefert, das Abendessen lockt.

So ähnlich sollen die nächsten Tage werden: Jedes der vier Zweier-Teams sucht sich morgens einen der Oldtimer aus, die der Veranstalter stellt: zum Beispiel die Giulia GTC mit der kantigen Karosserie von Bertone. Oder den sehr seltenen, silbernen 2600 Touring Spider. Einer sitzt am Steuer, der andere hat das ausgedruckte Roadbook vor sich, liest die Anweisungen zur Strecke und dirigiert: „Rechts abbiegen, hey, hier musst du rechts runter!“ Es wird nicht Kolonne gefahren, sondern mit weiten Abständen. Zum Essen morgens, mittags und abends trifft sich die Reisegruppe.

Auf der Strecke darf jeder sein eigenes Tempo wählen. Aussteigen am Aussichtspunkt. Anhalten an der Bäckerei im Dorf. Trotzdem sind die autokundigen Begleiter mit ihren Handys nicht weit. Der eine kurvt im Auto mit. Der zweite fährt das Transportfahrzeug, auf dem ein Ersatz-Oldtimer steht. Für den Fall, dass ein Motor streikt. Oder die Scheibenwischer bei Regen komplett ausfallen. Die Gäste können dann umsteigen ins nächste Auto. Wenn das Wetter passt, werden die Cabrios offen gefahren, bei Regen helfen die Techniker beim Schließen der Stoffverdecke.

„So eine Tour im Oldtimer ist fast die ganze Zeit wie eine Probefahrt. Man fährt immer mit gespitzten Ohren, ob irgendwo etwas klappert oder scheuert“, sagt Carsten Graf, Oldtimer-Experte im ADAC-Technikzentrum. „Wer so eine Reise bucht, der sollte bedenken, dass er mit alter, empfindlicher Technik unterwegs ist. Da geht es nicht ums ständige Vollgasfahren, sondern um eine genussvolle, geruhsame Streckenführung.“

Bayerntouren gelten bei CRD Oldtimerreisen als „Klassiker“. Der Reiseveranstalter aus Hamburg arbeitet dafür mit dem Autovermieter Oldie Garage zusammen. Zum Paket gehören außer dem Wagen - vom Porsche bis zum alten Käfer - das Hotel sowie ein Roadbook mit der Wegbeschreibung. Allerdings sind die Fahrer bei CRD in der Regel ohne Begleitung unterwegs. „Meist erst ab sechs Autos werden die Touren begleitet“, sagt eine Sprecherin. Ansonsten gilt: Bei Problemen werden die Leute von der Oldie Garage alarmiert.

Auf eine deutlich exklusivere Mischung aus Auto und Romantik setzt ein anderer Anbieter: Grand Tourisme. Im Unterschied zu Reisen mit Leihwagen bietet das Hamburger Unternehmen den Hin- und Rücktransport des eigenen Liebhaberautos - egal ob Oldtimer oder nicht - etwa nach Italien an.

„Unsere Kunden wollen sich nicht auf neue, fremde Technik einstellen“, sagt Geschäftsführerin Kathrin Kattwinkel. Sie zögen es deshalb vor, im eigenen Wagen durch die südländische Landschaft zu gondeln. Dabei wollten sie den Luxus genießen, selbst ins Zielland zu fliegen, während das Auto auf dem Hänger anreist. Eine Urlaubsform, die schnell noch teurer wird als die Rundreise im fremden Wagen.

Walter Laimer von Nostalgic versichert, dass er immer wieder hört, dass die Alfas - trotz Zwischengas und der weniger wirksamen Trommelbremsen - sich erstaunlich einfach fahren ließen. Zugleich erlebe man ja nur im Oldtimer diese besondere Zeitreise, wirbt er: Und meint damit die Autotour zurück in die Phase der Technikentwicklung, „als der Fahrer im stummen Dialog mit dem Motor war und hoch- und runterschaltete, wie es das Auto verlangte, als ein Auto laut war, hart gefedert, nach Benzin stank und an den Achsen quietschte“.

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