Führungen für Touristen Das Dong Xuan Center ist ein Stück Vietnam in Berlin

Berlin (dpa/tmn) - Nguyen Nam Thang kurvt flink schnippelnd mit der Schere um den Hinterkopf. Die Stoppelfrisur des Kunden ist fast fertig. Sieben Euro kostet sie. Thang ist einer der beliebtesten Friseure im Dong Xuan Center in Lichtenberg.

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Im Dong Xuan Center in Berlins Osten arbeiten neben Thang insgesamt rund 1500 Vietnamesen. Die acht schmucklosen Leichtbauhallen des Areals sind mehr als nur ein Großhandelszentrum, in dem Menschen asiatische Lebensmittel kaufen. Das Center ist sozialer Treffpunkt der vietnamesischen Hauptstadt-Community und wird Touristen in Führungen gezeigt.

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„Die Geschichte der Vietnamesen in Berlin ist eng verknüpft mit der Geschichte des Centers“, sagt Minh Nguyen Huu, der seit 2016 über das 165 000 Quadratmeter große Gelände führt. 1988 wurde der Student in Hanoi geboren. Er empfängt die Besucher hinter einer unscheinbaren Toreinfahrt in der Herzbergstraße. Halle 9 wird gerade errichtet.

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Neu entstehen soll auch eine Nudelfabrik. Dann müssten die Reisnudeln für die berühmte Pho-Suppe womöglich nicht mehr importiert werden. Das Nationalgericht Vietnams kann man im Dong Xuan Center so authentisch genießen wie vielleicht nirgendwo sonst in Deutschland.

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Von den mit Neonlicht ausgeleuchteten Gängen gehen fensterlose Verkaufsräume ab, in die jeden Morgen um 10.00 Uhr das Leben einkehrt. Nicht alle Händler haben ihre Wurzeln in Vietnam. Auch Chinesen, Pakistaner, Inder und ein paar wenige Deutsche sind darunter. Auslagen und Regale sind proppenvoll: Elektronikartikel, günstige Kleidung, Plastikspielzeug, Küchenutensilien.

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Und da ist die einzige Blumenhändlerin im Center, Thi Luong Hong, die in Hai Phong im Norden Vietnams geboren wurde und seit 2005 in der Herzbergstraße ihr Geld macht. Sie verkauft täuschend echte, aber ein bisschen zu bunte Plastikimitate.

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Die Vietnamesen und die Blumen: Das ist eine besondere Geschichte. Als die DDR unterging, machten sich viele Vertragsarbeiter mit dem Handel von Blumen selbstständig. Denn von einem auf den anderen Tag standen Zehntausende von ihnen auf der Straße. Reisbauern, einfache Arbeiter, die in die DDR gekommen waren und im Zuge der sogenannten sozialistischen Bruderhilfe auf eine Ausbildung und Sprachvermittlung gehofft hatten.

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Auch Minhs Vater reiste als Vertragsarbeiter nach Berlin. Er schuftete im Schichtdienst bei den VEB TT Bahnen, musste allein in die DDR kommen. Familienangehörige mitzubringen, war tabu. Nach fünf Jahren sollten die Arbeiter wieder zurück. Auch Nguyen van Hien, der 2003 die Industriebrache in der Herzbergstraße erwarb und das Dong Xuan Center gründete, war einer von ihnen. Benannt ist das Center nach dem gleichnamigen bekannten Markt in Hanoi. Dong Xuan bedeutet Frühlingswiese.

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Die Vertragsarbeiter lebten in Wohnheimen, bekamen die deutsche Sprache nur auf Basisniveau vermittelt. Die erhoffte Integration? Fehlanzeige. Nach der Wende bot die Bundesrepublik den rund 60 000 verbliebenen Menschen aus Vietnam pro Kopf 3000 D-Mark an, wenn sie zurück in die Heimat gehen. „All das wirkt bis heute nach“, sagt Minh, der fließend Deutsch spricht. Minhs Vater lehnte das Geld ab, holte seine Familie 1991 nach Deutschland und wurde Textilverkäufer.

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Zum Abschluss der Führung bittet Minh seine Gäste in einen der beheizten Zeltvorbauten eines Restaurants. „Den müssen sie noch probieren“, sagt der 29-Jährige und zeigt in der Speisekarte auf den Eintrag Sua Nong: vietnamesischer Kaffee mit Kondensmilch und wahlweise Eiswürfeln zum Preis von 3,50 Euro - ein authentisches, aber untypisch teures Vergnügen auf der „Frühlingswiese“.

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