Zum Tanzen und Nachdenken : Ausstellung über Musikvideos in Völklingen zu sehen
Völklingen Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte trifft Unterhaltungsindustrie nun auf frühere Schwerindustrie: in Form einer einzigartigen Ausstellung mit über 80 Musikvideos aus 30 Ländern.
Bäm! Im ersten Moment ist man überwältigt, geflasht, fast schon überfordert von den visuellen Eindrücken, die auf einen niederprasseln, kaum dass man die Gebläsehalle betritt.
Die Dunkelheit, die die riesigen Maschinen in der Völklinger Hütte umgibt, wird überall unterbrochen durch bunte, schnell geschnittene Filme auf zigfachen Leinwänden und Monitoren: von tanzenden und singenden Menschen, aber auch mit skurrilen Szenen und mitunter gar verstörenden Sequenzen.
Neue Großausstellung im Weltkulturerbe an der Saar
Fast könnte man meinen, es sei ein Sammelsurium von Filmtrailern, die das Weltkulturerbe hier vereint hat. Wenn es den Audioguide nicht gäbe: Denn erst die Musik auf den Ohren zeigt, um was es wirklich geht: „The World of Music Video“. So heißt die neue Großausstellung, die von Samstag (22. Januar) bis zum 16. Oktober im Weltkulturerbe an der Saar gezeigt wird. „Ihre Augen werden Ohren machen!“, verspricht Generaldirektor und Kurator Ralf Beil in seiner ersten großen Präsentation. Und er hat Recht: Denn was er und sein achtköpfiges Weltkulturerbe-Team zwischen 20 und 55 Jahren in einjähriger Arbeit an Videos ausgegraben und zusammengestellt haben, ist anders und ist mehr als das, was man aus einstigen MTV-Zeiten kennt.
Entstanden ist eine zeit-, welt- und themenumspannende Ausstellung, die in ihrer Dimension und ihrer Qualität bislang wohl einmalig ist. Die 6000 Quadratmeter große Gebläsehalle bietet dafür Platz und Atmosphäre, die in herkömmlichen Museen schwer zu finden wäre. Mehr als 80 Musikvideos aus 30 Ländern laufen nonstop auf über 60 Großleinwänden an den Wänden und zwischen den monumentalen Maschinen ebenso wie auf kleineren Monitoren in intimeren Nischen. Angefangen von Queens „Bohemian Rhapsody“ aus dem Jahr 1975, die als „Mutter des modernen Videoclips“ gilt, über Madonna, Genesis, Yoko Ono, David Bowie und U2 bis zu Psys „Gangnam Style“, Billie Eilish und Deichkind. Ergänzt um politische Videos wie „Wind of change“ von den Scorpions oder „Punk Prayer“ von Pussy Riot.
Musikvideos mit nackter Haut und Gewalt
Und dann gibt es noch jene Musikvideos, die „nicht jugendfrei“ sind, wie Beil meint. Weil sie zu viel nackte Haut zeigen oder auch Gewalt-Szenen und daher „für sensible Gemüter nicht geeignet“. Für diese Filme muss man sich allerdings im wahrsten Sinne des Wortes in die Abgründe begeben. Denn seit seinem Amtsantritt im Mai 2020 hat der neue Generaldirektor nicht nur alle Einbauten und Teppichböden aus den Hallen entfernt und 40.000 historische Fliesen freigelegt, sondern auch die Schächte geöffnet. Dort zum Beispiel läuft „Voodoo in My Blood“ von Massive Attack. „Das ist wirklich hypnotisch verstörendes Minutenkino, ganz hohe Kunst“, schwärmt Beil. Ein besseres Ambiente für das Musikvideo mit Schauspielerin Rosamund Pike im U-Bahn-Tunnel kann es in diesem kalten feuchten Keller wohl nicht geben.