Ein Jahr nach der Aschewolke keine klärenden Urteile

Wiesbaden (dpa/tmn) - Ein Jahr nachdem eine Wolke aus Vulkanasche den Flugverkehr in Europa lahmgelegt hat, fehlen immer noch obergerichtliche Urteile zu den Ansprüchen von Reisenden. Damit herrscht immer noch Unklarheit, worauf Fluggäste Anspruch haben.

„Durch pragmatisches Verhalten der Airlines und Veranstalter ist leider weniger geklärt, als wünschenswert wäre“, sagt der Reiserechtler Prof. Ronald Schmid aus Wiesbaden. Die meisten Fluggesellschaften hätten zwar die Kosten für Hotels und Verpflegung der gestrandeten Urlauber gezahlt - oft jedoch erst kurz vor einem Prozess, um keine Urteile und damit Präzedenzfälle zu erhalten. Selbst Billigflieger hätten in einzelnen Fällen Hotelkosten für eine ganze Woche übernommen. Denn „die nächste Aschewolke kommt bestimmt“, sagte Luftverkehrsexperte Schmid, der an der Technischen Universitäten Dresden und Darmstadt lehrt.

Es gebe mittlerweile aber einige Urteile in niedriger Instanz, die die Ansprüche der Reisenden bestätigen. Demnach entbinden auch außerordentliche Umstände wie die Aschewolke nach dem Ausbruch des Vulkans am Eyjafjalla-Gletscher in Island die Airlines nicht von ihren Verpflichtungen. Die Fluggesellschaften müssen also gemäß der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union Hotelkosten, Essen und Trinken sowie Telefonate nach Hause bezahlen, wenn Flüge ausfallen und Urlauber festsitzen. Außerdem habe sich die Europäische Kommission eindeutig in diesem Sinne geäußert, erklärte Schmid.

Auf zusätzlichen Schadenersatz dürfen Reisende dagegen nicht hoffen. „Ausgleichszahlung gibt es nicht, das ist unbestritten“, sagte Schmid. Die Sperrung des Luftraums wegen der Aschewolke sei klar ein Fall höherer Gewalt gewesen. In Deutschland war der Luftraum vom 15. bis 21. April 2010 zeitweise komplett gesperrt gewesen. Europaweit fielen wegen des Vulkanausbruchs rund 100 000 Flüge aus.

Strittig sei weiter die Frage, ob die Fluggesellschaften auch Hotelkosten in unbegrenzter Höhe bezahlen müssen. Ein klärendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs erwartet Schmid erst für 2012. Der Reiserechtler selbst verhandelt derzeit einen Fall, in dem es eine Airline ablehnt, die tatsächlichen Kosten für mehrere Tage in einem Luxushotel zu übernehmen - denn das sei „unmäßig“. Der Kunde hätte sich selbst ein günstigeres Hotel suchen müssen, laute die Argumentation des Unternehmens. Schmid sieht die Rechtslage dagegen so: „Wenn die Airline ein anderes Hotel stellt, muss der Kunde wechseln. Aber wenn sie es nicht tut, hat sie schlechte Karten.“

Unklar ist auch noch, ob die Fluggesellschaft einem Kunden seine Kosten ersetzen muss, wenn er auf eigene Faust nach Hause gereist ist. „Die Airline ist verpflichtet, die nächstmögliche Flugverbindung bereitzustellen“, sagte Schmid. Allerdings interpretieren die Fluggesellschaften das so, dass sie nur auf ihre eigenen Flüge zurückgreifen müssen, nicht auf Angebote von Konkurrenten. Ein höchstrichterliches Urteil dazu steht aus - auch weil sich viele Reisende damit zufriedengaben, dass die Airline einen Großteil der Kosten übernahm.

Reiseveranstalter zogen sich in den Tagen nach dem Ausbruch des Vulkans am Eyjafjalla-Gletscher oft aus der Affäre, indem sie den Reisevertrag kündigten. Gegenüber der Fluggesellschaft habe der Urlauber in diesem Fall aber weiterhin Anspruch auf die Erstattung von Hotel- und Verpflegungskosten, erklärte Schmid. Und der Veranstalter müsse weiterhin dafür sorgen, dass der Urlauber unverzüglich nach Hause kommt. Falls das Ticket in die Heimat teurer wurde, müssen sich Urlauber und Veranstalter die Kosten teilen.

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