Zum Familienurlaub in die Jugendherberge

Detmold/Rostock (dpa/tmn) - Früher übernachteten fast nur Schulklassen in Jugendherbergen. Doch regelmäßige Klassenfahrten sind längst nicht mehr selbstverständlich. Die Unterkünfte werben deshalb um eine neue Zielgruppe: Familien.

Jugendherbergen hatten lange das Image, Schlafplätze für lärmende Schulklassen zu sein: Zimmer mit zehn Betten, Pfefferminztee zum Abendbrot, Dusche auf dem Flur, Licht aus um halb zehn. Urlaub hört sich anders an. Aber die Zeiten haben sich geändert. Neue Angebote locken nun vermehrt Familien an. „Der Anteil steigt von Jahr zu Jahr“, sagte Knut Dinter, Sprecher des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH). Heute entfallen knapp ein Fünftel aller Übernachtungen auf Familien.

Nicht für jede Familie kommt das infrage, im Vergleich zur gehobeneren Hotellerie sind Abstriche beim Komfort unausweichlich: „Man hat oft wenig Platz für Koffer und die Kleidung, nur ein Spind, in den nicht viel reinpasst“, sagt Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule Wilhelmshaven. „Und oft gibt es Doppelstock-, statt Doppelbetten.“ Außerdem sei nur ein Teil der Zimmer mit WC und Dusche ausgestattet. „Das erwarten viele Urlauber heute aber.“

Dabei werden die Familien für die Jugendherbergen immer wichtiger, denn die Schülerzahlen sinken und regelmäßige Klassenfahrten sind nicht mehr selbstverständlich. „Viele Jugendherbergen haben ihre Häuser saniert“, sagt DJH-Sprecher Dinter. Die Zimmer, die voller Doppelstockbetten standen, wurden bereits entrümpelt. Vor allem aber haben die Jugendherbergen familiengerechte Angebote entwickelt: Es gibt Ausflüge in den Hochseilgarten oder zum eigenen Kletterfelsen, Geocaching, Segelkurse und Surfunterricht.

Kerstin Krause leitet zusammen mit ihrem Mann Ronald seit 27 Jahren die Jugendherberge Waldkater in Thale im Ostharz. „Als wir angefangen haben, kamen vor allem Schüler und Studenten.“ Nach der Wende brachen die Schülerzahlen ein. Heute ist Thale eine der Jugendherbergen mit ungewöhnlich hohem Familienanteil: „2011 waren es zum ersten Mal mehr Familien als Schulklassen.“ Und der Trend setze sich fort. „Das ist wie ein Schneeballsystem“, sagt Krause. „Wenn's einer Familie gefällt, erzählt sie's zwei anderen weiter.“

Inzwischen sind in der Jugendherberge mit fast 200 Betten unter den Stammgästen etliche Familien. Dafür gibt es gute Gründe: „Man kann das Auto hier ruhig stehen lassen und trotzdem viel unternehmen.“ Es gibt ein „Bauspielhaus“ mit Riesenrutsche und Kletterkegel, für Mountainbiker eine Downhillstrecke. Bei schlechtem Wetter geht es in die Therme. Vor allem aber können Familien Pauschalpakete mit kindgerechtem Programm buchen: Dazu gehört Kino genauso wie Minigolfspielen, ein Spieleabend oder eine Sagenwanderung mit einer „Hexe“ als Führerin. Sogar eine eigene Kinderanimateurin hat die Jugendherberge.

Auch in der Umwelt-Jugendherberge Grumbach im sächsischen Erzgebirge ist der Anteil der Familien kontinuierlich gestiegen: „Viele kamen früher nur für ein verlängertes Wochenende“, erzählt Herbergsleiterin Sabine Schuricht. Mittlerweile bleiben manche im Sommer sogar gleich für 14 Tage. Auf die neue Zielgruppe wird in vieler Hinsicht Rücksicht genommen: „Es gibt eine Spielecke, Kinderbetten, Windeleimer und Babyphon“, zählt Schuricht auf.

Ganz neu ist das Pauschalpaket „Der Ruf der Brennnessel“, das im April zum ersten Mal im Angebot ist. Auf Bergwiesen sammeln Kinder und Eltern Wildkräuter und bereiten daraus Salat zu, lernen Kräuteressig und -öl selbst herzustellen. Und wenn die Kinder von all dem Freunden oder Oma und Opa schreiben möchten, lernen sie „Papier“ aus Brennnesseln herzustellen und daraus eine Postkarte zu basteln. Falls sie sie an eine befreundete Familie schicken, hat Sabine Schuricht vielleicht schon bald neue Gäste.

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