Zum Austernschlürfen auf die französische Halbinsel Cap Ferret

Cap Ferret (dpa/tmn) - Frische Austern schlürfen und am Strand spazieren, ohne einen Menschen zu treffen - das ist Cap Ferret in der Nebensaison. Auf der Halbinsel zwischen der Bucht von Arcachon und dem Atlantik liegen die farbenfrohen Siedlungen der Austernzüchter.

Sandfarben und glibberig ruht sie in ihrer Schale. Die Sonne lässt das Perlmutt schimmern. Der schmale dunkle Rand der Auster fasert aus wie ein Tuschestrich auf feuchtem Papier. Tropft etwas Saft aus der zusammengedrückten Zitronenspalte auf die Auster, reagiert sie empfindlich und kräuselt den dunklen Rand zusammen. Mit einer kleinen Gabel lässt sie sich von dem knorpelartigen Fuß lösen, der sie an der Schale festhält. Hebt man sie dann vorsichtig an, gleitet sie wie auf einer Wasserrutsche sanft in den Mund hinein.

Wer gerne Austern schlürft, ist auf der französischen Halbinsel Cap Ferret an der Atlantikküste mitten im Paradies. Wer Austern eher skeptisch gegenübersteht, findet hier die denkbar schönste Umgebung, um sich mit ihnen anzufreunden.

Cap Ferret? An der Côte d'Azur? Nein, die Halbinsel im Mittelmeer heißt Cap Ferrat und zieht im Sommer vor allem russische und amerikanische Touristen an, die sich für viel Geld in luxuriöse Villen einmieten. Cap Ferret hingegen ist ein schmaler, langer Sandstreifen, der die Bucht von Arcachon abschließt.

Cap Ferret lohnt einen Ausflug auch außerhalb der Saison - dann lässt es sich kilometerweit am Strand entlanglaufen, ohne auf Menschen zu treffen, und die Austern schmecken besonders gut.

Die kleine Fähre legt am frühen Morgen von einem Holzsteg in Arcachon ab. Bald ist am Ufer ein großer heller Hügel zu sehen: Europas größte Wanderdüne.

Die Fähre steuert unterdessen auf den weiß und rot gestrichenen Leuchtturm von Cap Ferret zu, der mitten aus einem Kiefernwäldchen heraufragt. Galant hilft der Käpt'n beim Aussteigen, schon legt die Fähre wieder ab, und die Ausflügler genießen die plötzliche Stille, die nur von einem Vogelzwitschern unterbrochen wird. Die Luft schmeckt salzig, es tut gut, tief einzuatmen. Cap Ferret ist ein hübscher kleiner Ort, aber keineswegs der Hauptgrund für die Überfahrt. Von der Anlegestelle geht es schnurstracks auf die andere Seite der Halbinsel, es dauert nicht mal eine halbe Stunde, bis der feine Sand erreicht ist.

Mächtige Wellen türmen sich auf und stürzen tosend in sich zusammen. Der Himmel ist sagenhaft weit, auf der einen Seite anthrazit- bis auberginefarben, über uns taubenblau mit schmutzigweißen Wolkenfetzen, auf der anderen Seite strahlend schlumpfblau.

Blickt man nach Westen auf das Meer hinaus, kommt erstmal lange nichts. Wasser, Wasser, Wasser, bis zum kanadischen Halifax, das in etwa auf dem gleichen Breitengrad liegt. Wenn die Beine vom Strandlaufen müde sind, ist der richtige Moment gekommen, um die berühmten Austern zu schlürfen. Durch den Kiefernwald, der sich über die ganze Halbinsel hinzieht, geht es zurück an die andere Seite, an die Bucht von Arcachon. Das Örtchen L'Herbe ist eines der Austernzüchter-Dörfer in der Bucht.

„Kaum kommt die Sonne heraus, rennen die Leute uns die Bude ein“, sagt Guillaume Fournier-Laroque und nimmt eine Auster aus einem grünen Korb. Mit einem Ruck bohrt er ein kurzes Messer zwischen die Schalen und spreizt sie mit einem routinierten Dreh auf.

„Zwölfmal Nummer zwei, sechsmal Nummer eins, je zwölf Garnelen und Wellhornschnecken“, ruft seine Frau, die auf der Terrasse die Gäste bedient, durch das offene Fenster. Je kleiner die Zahl, desto größer die Auster. Und je größer sie ist, desto teurer und leckerer ist sie.

Fournier-Laroque ist seit zehn Jahren im Austerngeschäft, er hat bei diversen Züchtern rund um die Bucht von Arcachon gearbeitet und sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht. „Das Becken ist die beste Brutstation für Austernbabys“, erklärt er.

Auf der Strandterrasse haben sich unterdessen mehrere Paare und Familien unter dem rot gestrichenen Sonnendach niedergelassen. Auf den schlichten Klapptischen stehen Drahtgestelle, auf denen die großen Platten voller Austern und Meeresfrüchte Platz finden. Dazu gibt es frisches Baguette, kleine Päckchen Butter und ein paar Zitronenschnitze.

„Ich liebe Austern. Sie schmecken, als ob man das Meer auf den Mund küsst“, sagte der französische Dichter Léon-Paul Fargue. Recht hat er. Eine Auster schmeckt erstmal salzig und nach dem Meerwasser, in dem sie badet. Aber wenn man sie zerkaut, entfaltet sich ein frischer nussiger oder auch süßlicher Geschmack.

Der Blick schweift über die Bucht, in der das Wasser im Unterschied zur anderen Seite der Halbinsel ganz ruhig daliegt. Die Ebbe hat die sogenannten Austerntische freigelegt, Metallgestelle, auf denen die Austern in rechteckigen grobmaschigen Plastiksäcken liegen.

Mittlerweile ist die Platte mit den Meeresfrüchten leer gegessen, zwei Spatzen picken frech die Brotkrümel auf, unter dem Tisch schleckt ein junger Hund eine heruntergefallene Austernschale aus. Zeit für einen Verdauungsspaziergang, dieses Mal nicht am Strand, sondern mitten durch den Kiefernwald.

Ein Rad- und Wanderweg führt die gesamte Halbinsel entlang und weiter um die Bucht herum. Außerhalb der Badesaison ist es dort herrlich einsam. Ein Bus bringt Ausflügler in weniger als zwei Stunden zurück nach Bordeaux zum nächsten großen Bahnhof. Am Abend eines langen Tages in Cap Ferret bleibt das Gefühl zurück, man habe gerade zwei Wochen unglaublich erholsamen Strandurlaub hinter sich.

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