Tunesien hat kräftig zugelegt und will noch viel mehr

Berlin (dpa/tmn) - Die Touristenzahlen in Tunesien haben wieder angezogen. Aber sie sind immer noch nicht auf dem Niveau der Zeit vor den politischen Umwälzungen. Und sie sind weit entfernt von dem, was sich die tunesische Tourismusbranche für die Zukunft erhofft.

Die Zahlen klingen richtig gut, die das Fremdenverkehrsamt Tunesien auf der Reisemesse ITB (6. bis 10. März) in Berlin präsentiert hat. Jedenfalls auf den ersten Blick: 411 828 deutsche Urlauber kamen im vergangenen Jahr in das nordafrikanische Land - ein Plus von 52,2 Prozent. Das sind Zuwächse, von denen andere Länder nur träumen können. Es ist allerdings auch nur die halbe Wahrheit oder nicht einmal das. Denn das Plus war nur so dick, weil das Jahr davor so katastrophal schlecht war: 2011, nach der Revolution in Tunis, brachen die Gästezahlen ein, Hotels standen leer, Kellner unbeschäftigt herum. In den Touristenzentren sah es trostlos aus.

Aus Deutschland kamen gerade einmal gut 270 000 Gäste - ein Absturz. „Das war ein extrem schwieriges Jahr für unseren Tourismus“, sagte Habib Ammar, Generaldirektor des tunesischen Fremdenverkehrsverbands, bei der ITB. „Inzwischen sind wir ein wenig beruhigt und wollen versuchen, in diesem Jahr wieder an das Niveau von 2010 heranzukommen.“ Die Lage für den Tourismus sei im Jahr nach dem politischen Umsturz fast unvermeidlich schwierig gewesen.

2012 konnte es eigentlich nur besser werden. Die Buchungszahlen zogen schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 wieder an. „Tunesien konnte 2012 sein Comeback festigen“, lautet deshalb das Fazit des Tunesischen Fremdenverkehrsamtes. Das stimmt, aber die Zahlen aus der Zeit vor dem Arabischen Frühling sind noch nicht wieder erreicht, als noch 458 000 Deutsche nach Tunesien reisten. Das zeigen auch die Touristenzahlen insgesamt: Nach einer deutlichen Delle in 2011 sind sie im vergangenen Jahr auf über 5,9 Millionen angezogen. Das ist immer noch fast eine Million weniger als 2010.

Die Voraussetzungen für weiteres Wachstum seien da, sagte Afif Kchouk vom Tunesischen Hotelverband. Und Tunesien sei sicher für Touristen. „Es gibt politische Probleme, aber so wie in Italien auch - das betrifft die Touristen nicht.“ Der herbe Einbruch bei den Gästezahlen vor zwei Jahren war allerdings gerade für die Hoteliers eine Herausforderung: „Die Hotelpreise sind gesunken, aber nicht nur wegen der Revolution“, erläutert Kchouk. „Das hängt auch mit der wirtschaftlichen Lage in Europa zusammen, dort sieht es in einigen Ländern nicht rosig aus.“

Tatsächlich ist der Urlaub in Tunesien um einiges günstiger geworden. Die Reiseveranstalter versuchen, das Tunesiengeschäft auf diese Weise anzukurbeln: Bei den Katalogvorstellungen für die diesjährige Sommersaison verkündeten gleich mehrere, die Preise erneut zu senken: Bei Thomas Cook beispielsweise um 2 Prozent, bei FTI um bis zu 3 Prozent. Und auch Alltours bietet Tunesienreisen nun im Schnitt günstiger an als im Jahr zuvor.

Für die Zukunft hat Tunesien viel vor: Die Zahl der Gäste bis 2016 auf 10 Millionen zu verdoppeln, lautet das ehrgeizige Ziel. Und dafür sollen die Fehler der Vergangenheit korrigiert werden: Tunesien werde in Europa nur als Strand- und Sonnenziel wahrgenommen, sagte Ammar. „Wir haben immer noch 80 Prozent Badetourismus.“ Das ist schon deshalb schlecht, weil im Winter und Frühling dafür keine Gäste kommen - Ägypten hat es mit dem Roten Meer da deutlich besser. „Der Tourismus muss sich bei uns diversifizieren“, sagte Ammar. „Wir sind geografisch ein kleines Land, aber wir haben viel zu bieten.“

So will die Tourismusbranche in Möglichkeiten für Wellnessurlaub investieren, die Angebote für Thalassotherapie noch ausweiten, den Golftourismus ausbauen und Tunesien als Kulturdestination bekannter machen. Die bisherige touristische Monokultur soll ein Ende haben. Die Zukunft liege in der Vielfalt: „Wir sind ein Land, in dem man am gleichen Tag in der Wüste sein und etwas später tauchen gehen kann.“ Vor allem aber: Tunesien will künftig auf Qualitätstourismus setzen. „Die Zahl der Gäste steht für uns nicht an der ersten Stelle“, sagte Ammar.

In dem Zusammenhang seien gerade die Gäste aus Deutschland so wichtig, derzeit nach den Franzosen und vor den Engländern die zweitstärkste Gruppe ausländischer Touristen: „Deutsche Urlauber bleiben fast doppelt so lange wie andere Gäste aus Europa, und sie geben auch mehr aus“, sagte der Fremdenverkehrsverbands-Chef.

Wie sich der Tourismus 2013 entwickeln wird, muss sich zeigen. Erst Anfang Februar wurde in Tunesien der Oppositionspolitiker Chokri Belaïd erschossen, der als scharfer Kritiker der regierenden Islamisten galt. Das Auswärtige Amt warnte vor gewaltsamen Ausschreitungen in Großstädten wie Tunis. Belaïds Beisetzung wurde zu einer der größten Protestaktionen seit der Revolution. Ministerpräsident Hamadi Jebali trat kurz darauf zurück. Politische Stabilität, die viele Touristen schätzen, hört sich anders an.

Wie auch immer es politisch weitergeht - keine Regierung werde leugnen, dass der Tourismus ein wichtiger Pfeiler der tunesischen Volkswirtschaft ist, sagte Ammar. Diskussionen etwa um die Frage, ob bei einem Erstarken der islamistisch orientierten politischen Kräfte an den Stränden möglicherweise das Baden im Bikini verboten werden oder das Trinken von Alkohol tabu sein könnte, seien unrealistisch. Baden im Bikini sei erlaubt, sagte Ammar. „Wo ist das Problem?“ Und auch Afif Kchouk hält es für sehr unwahrscheinlich, dass Touristen in naher Zukunft mit solchen Einschränkungen konfrontiert sein könnten. „Hotels sind schließlich Privatgelände.“

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