Legendäre Mondberge Trekking in Afrikas Ruwenzori-Gebirge

Kasese (dpa/tmn) - Wenn sich der Nebel in den Mondbergen lichtet, zeigt sich eine scheinbar urzeitliche Version dieser Welt. Lobelien und Senezien ragen bis zu vier Meter in die Höhe, die Vegetation scheint in prähistorischen Proportionen zu sprießen.

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Flechten hängen an den Ästen der Bäume wie Bärte schweigsamer Naturgeister. Sümpfe, Feuchtigkeit, nasse Erde, schier undurchdringliches Grün: Die Landschaft wirkt im Sinne des Wortes sagenhaft.

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Ruwenzori heißt dieses Gebirge auf der Grenze von Uganda und dem Kongo in Ostafrika. Seine höchsten Gipfel messen mehr als 5000 Meter und sind noch vergletschert, eine surreale Szenerie am Rande der immerfeuchten Tropen. Der Begriff Mondberge soll auf Ptolemäus zurückgehen, der schon 150 nach Christus von schneebedeckten Bergen im Herzen Afrikas sprach. Die Menschen in der Region haben eine andere Erklärung: Die Bergspitzen liegen tagsüber praktisch immer im Nebel, so dass man sie nur nachts sieht - bei Mondschein.

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Das Ruwenzori-Gebirge ist eine der spektakulärsten und gleichzeitig unzugänglichsten Gegenden Afrikas. Schlammige Pfade führen durch enge Täler und über schlüpfrige Pässe, oft mehr Bäche als Wege. Ohne Gummistiefel geht nichts. Übernachtet wird in kargen Hütten ohne Strom und Wasser oder in Zelten. Bevor überhaupt die höchsten Berge in Sichtweite kommen, läuft man drei Tage durch menschenleere Wildnis. Ein Trekking durch diese feuchte Nebelwelt führt an Grenzen - der Kondition, der Vorstellungskraft, der friedvollen Welt.

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„Die Herausforderungen sind das steile Terrain, der Matsch und die rutschigen Stämme, die Höhe und Wetterbedingungen, die körperliche Fitness“, sagt Richard Dramaza, 33. Der sanftmütige junge Mann, der die lateinischen Namen vieler Pflanzen kennt, ist einer der beiden Bergführer auf dieser einwöchigen Trekkingtour. Der andere ist Samuel Ociti, 31, mehr der Typ Draufgänger. Mehrere Jahre hat er in der ugandischen Armee gekämpft und den Warlord Joseph Kony gejagt.

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Aufbruch in Kilembe. Das kleine Dorf westlich der Stadt Kasese besteht aus Kirche, Schule, einfachen Hütten und den Baracken einer Minengesellschaft, die in den Ausläufern der Berghänge Kupfer schürft. Die heimischen Bakonjo sind aber vor allem Bauern. Auf den Feldern rund um das Dorf pflanzen sie Bohnen, Kaffee und Maniok an. Tagsüber steht ihnen der Schweiß auf der Stirn, abends bleibt die Luft mild. Von den unwirtlichen Bedingungen im Herzen des Ruwenzori ahnt der Wanderer hier auf 1400 Metern noch nichts.

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Die Agentur Rwenzori Trekking Services betreibt in Kilembe ein kleines Gasthaus. Der von ihr unterhaltene Kilembe Trail wurde erst im Jahr 2008 eröffnet. Vorher waren fast alle Touristen auf dem Central Circuit Trail weiter nördlich unterwegs. Beide Routen treffen unterhalb des Mount Stanley aufeinander, dem höchsten Bergmassiv im Ruwenzori. Das anspruchsvolle Ziel ist der 5109 Meter hohe Margherita Peak. Die Bakonjo glauben, dort wohne das Götterpaar Ketasamba und Nyabibuya. Wenn es sich bewegt, heißt es, dann lösen sich Steine.

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Diese Gefahr ist noch fern an den unteren Hängen des Ruwenzori. Dicht und überschwenglich steht hier die Vegetation. Lianen umschlingen die Tropenbäume des immergrünen Bergwalds, mit etwas Glück zeigen sich in den Kronen schwarz-weiße Colobusaffen. Auf einem Ast im Gebüsch hockt ein dreihörniges Chamäleon wie ein Dinosaurier in Miniatur.

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Richard und Samuel laufen plaudernd voran. Wo der Nationalpark beginnt, betreibt die Uganda Wildlife Authority einen Rangerposten. Ein junger Mann posiert mit Kalaschnikow für ein Foto. Danach wird der Pfad steil, die Hänge steigen rasch an. Unten im Tal rauscht ein Fluss. Schmetterlinge, Vogelgezwitscher, die Sonne brennt.

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Auf ungefähr 2500 Metern beginnt die zweite Vegetationsstufe, der Bambuswald. Dicht und haushoch stehen die Stämme, wie die Filmkulisse für ein fernöstliches Kriegerepos. Der erste Trekkingtag endet nach sechs Stunden Wanderung im Kalalama Camp auf 3134 Metern mit einem heftigen Platzregen. Die Sonne verschwindet. Was hier noch nicht so klar ist: Sie wird erst in sechs Tagen wieder richtig auftauchen.

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Am folgenden Morgen verlässt man endgültig die Spuren der Zivilisation und betritt eine kaum zugängliche Welt des Nebels, durchsetzt von Bächen und Tümpeln, überzogen mit Heidekraut und mythisch anmutenden Riesengewächsen. Rapanea rhododendroides, erklärt Richard und zeigt nach links. Blick nach rechts: Erica trimera. Immer wieder bleiben die Gummistiefel im Matsch stecken. Schwomp, schwomp. Das Geräusch begleitet einen stundenlang, wie das Plätschern und Glucksen des Wassers, das aus jeder Spalte zu dringen scheint.

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Schwer vorstellbar, wie sich die ersten Entdecker durch diese Wildnis gemüht haben müssen. Das höchste nichtvulkanische Gebirge Afrikas entzog sich lange dem Blick der Europäer. Buchstäblich. Stets umhüllten Wolken die Berge, wegen der vielen Feuchtigkeit. Der berühmte Afrikaforscher Henry Morgan Stanley glaubte 1876 zunächst, eine merkwürdige Wolke von silberner Farbe zu betrachten, als er die schneebedeckten Gipfel des Ruwenzori erblickte. Damals waren die Vergletscherungen freilich noch viel gewaltiger als heute.

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Der Tourismus hatte es lange schwer, nicht nur wegen des fordernden Klimas und der Abgelegenheit der Region. Die Diktatoren Obote und Amin machten Reisen in die Mondberge unmöglich. Während des Zweiten Kongokrieges schloss die Regierung Ugandas den Nationalpark. In dem Unesco-Weltnaturerbe operierten Rebellengruppen. 2001 wurde der Park wieder für ausländische Besucher geöffnet. Im Prinzip fühlt man sich immer noch wie ein Forschungsreisender vergangener Tage.

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Auf dem Weg zum Bugata Camp lichtet sich die Vegetation mehr und mehr, je höher man aufsteigt. Die alpine Zone kommt näher. Abends fällt der Blick vom Lager auf 4062 Metern über das Namusangi-Tal mit seinen Gletscherseen. Der Himmel reißt für ein paar Minuten auf. Dann kriecht Finsternis aus dem Tal die Berghänge hinauf.

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Die Träger kochen jetzt Reis und Gemüse. Ohne sie wäre ein Trekking im Ruwenzori nicht möglich. Die Verpflegung der gesamten Mannschaft für sieben Tage muss in die Berge hineingetragen werden, Lasttiere wie Pferde oder Esel gibt es nicht. Von der Agentur erhalten die Träger - auch eine Frau ist darunter - pro Tag 4 bis 5 US-Dollar. Die Bergführer bekommen jeweils 9 bis 12 Dollar pro Tag. Erreicht der Gast den Margherita-Gipfel, gibt es einen Bonus. Aber das ist hier im Bugata Camp noch längst nicht ausgemacht.

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Schlüpfrig ist der Steig hinauf zum Bamwanjara-Pass (4450 Meter) am Tag darauf. Der Regen hat den Weg in einen Bach verwandelt. Steiler noch ist aber der Abstieg durch einen nebelverhangenen Senezienwald. Immer wieder sinkt der Fuß bis zum Knöchel in den Schlamm ein, das kostet Kraft. Wurzeln und Steine erlauben keine Unachtsamkeit. Alle Annahmen über die Wegzeiten anhand der Höhenmeter erweisen sich als falsch. Die Tagesetappen dauern stets länger als angenommen.

Beim Abstieg vom Pass zeigen sich für ein paar Minuten die höchsten Gipfel des Ruwenzori: zackige, schneebedeckte Felstürme. Wenig später fällt der Blick auf einsame Bergseen inmitten grün bewachsener Hänge und dahinter auf ein dichtes Wolkenmeer. Die Hänge westlich des Sees gehören schon zur nördlichen Kivu-Provinz im Kongo.

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in jene Region, verschiedene Milizen sind dort aktiv. Doch die Landesgrenze, die den vermeintlich bereisbaren Teil Ostafrikas vom sogenannten Konfliktgebiet trennt, ist in der unzugänglichen Wildnis des Ruwenzori-Gebirges nicht mehr als eine abstrakte Linie auf der Karte.

Statt in Richtung Kongo biegt der Wanderpfad zum Stanley-Massiv nun nach Nordosten ab. Eine weitere Übernachtung im Hunwick's Camp auf 3974 Metern wird fällig, bevor am nächsten Tag die letzte Tagesetappe vor der Gipfelnacht ansteht. Unverändert sumpfig und feucht führt der Weg vorbei an den Kitandara-Seen hinauf zum höchsten Lager der Tour. Es liegt unweit der Elena-Hütte, die von den Kunden der anderen Agentur Rwenzori Mountaineering Services genutzt wird, die über den Central Circuit Trail in das Gebirge vorgedrungen sind.

Um drei Uhr nachts betritt Richard das mannshohe Zelt mit den Stockbetten. Zeit, den warmen Schlafsack zu verlassen. Eine Tasse Tee, eine Schale Porridge, Aufbruch. Schneeflocken flirren im Lichtkegel der Stirnlampe. Das Gestein ist so glatt, als hätten die Berggötter es mit Seife eingeschmiert. Nach gut einer Stunde folgt der erste Gletscher. Danach seilt Samuel - immer noch bei völliger Dunkelheit - über eine steinschlaggefährdete Felsrinne bis zum Fuß des Margherita-Gletschers ab. Der Anstieg über dieses Eis ist wiederum steil und ohne Steigeisen nicht zu machen.

Die Nacht verschwindet langsam, die Wolken bleiben. Samuel geht auf dem Gletscher voraus, eingehüllt ins Grau, Richard läuft am Schluss. Die letzten Höhenmeter zum Gipfel führen in leichter Kletterei über verschneite Felsen. Oben, genau auf der Grenze, weist ein vereistes Schild den höchsten Punkt Ugandas aus - und hier, wirklich nur hier auf der Spitze des Berges ist die Sicht auf einmal frei.

Der verschneite Gipfel des benachbarten Alexander Peak scheint wie aus Watte zu ragen, in der Ferne zeigt sich ein wuchtiger Bergkamm. Schmales Blau markiert den Horizont im Osten. Der Kongo im Westen liegt unter einer dichten Wolkendecke, als wollte der Himmel diesen unruhigen Landstrich vor Blicken verbergen. Was fühlt man hier oben, so entrückt von der Welt? Erschöpfung, Erleichterung, Erhabenheit. Und Hochachtung vor dem mühsamen Weg zurück in die Zivilisation.

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