Tokio: Tradition plus pralles Leben

Tokio versöhnt Historie und Moderne. Rund 36 Millionen Menschen leben im Großraum der Weltstadt.

Düsseldorf. Was für eine Stadt! Im Zentrum schießen die Wolkenkratzer wie Pilze aus dem Boden. Aus dem Hotelfenster im 26. Stock fällt der Blick auf einen Glas- und Betonwald. Nur Mut — und rein ins Gewühle.

Tokio gilt zu Recht als sicherste Großstadt der Welt. Munter trabe ich im Passantenstrom, niemand rempelt mich an. Von kleinauf lernen die Japaner, Rücksicht zu nehmen.

Rund 36 Millionen Menschen leben im Großraum Tokio, und die pendeln. Stoßzeiten lassen sich vermeiden, und nach den Zügen kann man die Uhr stellen, so pünktlich sind sie. 13 verschiedenfarbige U-Bahn-Linien durchqueren Tokio, auch Bahnen. Vor drei Jahrzehnten habe ich dort vier Jahre lang gelebt, jetzt muss ich das Zurechtfinden genau so üben wie die „Newcomer“. Immerhin sind Fahrpläne und Stationen nun auch in Englisch beschriftet.

Um in kurzer Zeit viel zu sehen, begleitet mich in den nächsten Tagen Reiseführerin Tamiko. Gleich eilt sie zum Meiji-Garten, angelegt nach dem Tod von Kaiser Meiji (1852-1912). „Dieser Garten ist ein Kraftort“, sagt sie in bestem Deutsch. Spätestens an der heiligen Quelle scheint der Jetlag überwunden. Aber nicht die Finger hineintunken!

Wasser zur symbolischen Reinigung von Mund und Händen schöpfen wir aus einem Becken, bevor wir zum Meiji-Schrein gehen, einem schintoistischen Heiligtum. Hier hat sich fast nichts verändert. Auch die kaiserlichen Gärten in Tokios Mitte sehen, soweit zugänglich, aus wie eh und je. Das Hightech-Land bewahrt Traditionen und seine Seele.

Anderes wandelt sich, selbst die Ginza, die bekannte Shopping- und Flaniermeile. Dort gibt es nun auch preiswerte Läden für die modebewusste Jugend. Apropos Preise: Tokio ist wieder erschwinglich. Die japanische Notenbank drückt den Yen-Kurs. Essen und Trinken sind kaum teurer als daheim. Schriftzeichen muss man nicht lesen können. Oft gibt es Speisekarten in Englisch, und in Plastikversion stehen die Gerichte im Schaufenster.

Ich zeige auf „Ramen“, die beliebte Nudelsuppe. Den Löffel ignorierend hebe ich die Schüssel zum Kinn, greife die schlüpfrigen Nudeln mit den Stäbchen und schlabbere sie wie die Japaner in den Mund. Hurra — die Bluse bleibt fleckenfrei.

Kann man denn — nur zwei Jahre nach dem Reaktorunglück in Fukushima — angstfrei essen, Wasser trinken und herumspazieren? Deutsche Experten geben Entwarnung. Tokios Strahlenbelastung ist nicht höher als die in Deutschland.

Die feinere Art zu speisen heißt „Obento“ oder „Kaiseki“, kleine Köstlichkeiten serviert in einer lackierten Holzschachtel. Schon der Anblick ist ein Genuss. Tamiko beginnt mit der Miso-Suppe (aus Fischsud und Sojabohnenbrei), ich greife zum Sushi, den rohen Fischscheiben.

Gutes zu sehen gibt es dann auf der Omotesando, Tokios Architektenstraße. Dort wetteifern internationale Stars aus Japan und aller Welt. Das Büro Sanaa, Planer der Zollverein-Designschule Essen, hat für Dior gebaut, Jun Aoki für Louis Vuitton sowie Herzog & de Meuron für Prada. Alles Hingucker, doch der Hit ist das Shopping-Center Tokyu Plaza von Hiroshi Nakamura mit der bepflanzten Dachterrasse. Eine Sonnenoase zum Relaxen mit Blick auf den schimmernden Mori-Tower.

Altmeister Tadao Ando, weltberühmt, setzt auf japanische Formen. Das Dach seines Design-Museum erinnert an ein aufgeschlagenes „Furoshiki“, ein Tragetuch.

Tradition plus pralles Leben dann in Asakusa (sprich: Asaksa). Viele Menschen streifen durch die Nakamise-dori, eine gerade Straße gesäumt von Marktständen. Unaufdringlich offerieren die Händler typisch japanische Tücher, Fächer, Dosen und Lebensmittel. Aparte Mitbringsel, kein chinesischer Billigkram wie in 100-Yen-Shops (Ein-Euro-Läden). Die Ladenstraße führt, vorbei an der fünfstöckigen Pagode, zum roten Kamiari-Tor und weiter zum Senso-ji, Tokios ältestem buddhistischen Tempel. Hier beten die Japaner genauso wie vor schintoistischen Schreinen. Man kann ja nie wissen.

Doch eins ist gewiss: Noch mehr als in Asakusa tobt das Leben nächtens in Shinjuku. Toppen kann diese Eindrücke nur der 634 Meter hohe Tokyo-Skytree. Als weltweit höchster Fernsehturm steht der filigrane Riese im Guinness Buch der Rekorde. Schon fünf Millionen Höhentaugliche haben ihn seit der Eröffnung im Mai 2012 gestürmt. Seine zweiteilige Stahlkonstruktion aus Turmkern und Ummantelung mache ihn erdbebensicher, wird vehement versichert.

In nur 50 Sekunden saust der Lift zum 350 Meter hoch gelegenen Tembo Deck, ein weiterer führt zur Tembo Galleria auf 450 Meter Höhe. Der Traumblick über Tokio, bei klarem Wetter bis zum Fuji, entschädigt allemal fürs Schlangestehen.

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