Sri Lanka: Die Ruhe vor dem Goldrausch

Die Ostküste war schon immer schön. Aber die Touristen trauten sich nicht hin. Das ändert sich jetzt.

Düsseldorf. Die einzigen, die der Krieg nie schreckte, waren die Surfer. Sie kamen immer hierher nach Arugam Bay an die Südostküste Sri Lankas, wo die Surfspots im Dutzend liegen. Surfer wie Jason, Mitte 20, ausgebleichte Dreadlocks und Vollbart, tätowierte Brust, entrückter Blick.

Der junge Australier muss nicht lange überlegen, was sich seit dem Ende des Bürgerkriegs geändert hat in der Halbmondbucht mit den Baumhäusern in den Palmen, die seine zweite Heimat wurde. „Es kommen jetzt viel mehr Mädchen hierher“, sagt er, aber er lächelt dabei kein bisschen.

Denn die Mädchen sind nur die Vorhut, ihnen werden viele weitere Touristen folgen. Es ist jetzt viel Geld im Spiel, das macht Jason und manchen anderen Angst hier, bei aller Aufbruchsstimmung. Nach fast 40 Jahren ist der Bürgerkrieg im Mai 2009 blutig zu Ende gegangen, endlich, sagen auch die meisten Tamilen.

Die Tamil Tigers, die zeitweise weite Teile der Ostküste kontrollierten, sind geschlagen. Nun erwachen die Palmenstrände von Arugam Bay im Süden bis Nilaveli im Norden aus dem touristischen Dornröschenschlaf.

Die Regierung hat ausgesprochen ehrgeizige Pläne: Zweieinhalb Millionen Urlauber will der Tourismusminister im Jahr 2016 nach Sri Lanka locken. In diesem Jahr waren es bis Ende Oktober knapp 500 000, immerhin 43,5 Prozent mehr als 2009. Die „New York Times“ hat Sri Lanka auf Platz 1 der Liste „Places to go in 2010“ gesetzt, Veranstalter und Fluggesellschaften bauen ihr Angebot kräftig aus. Und für 2011 hat Präsident Mahinda Rajapakse das „Visit Sri Lanka Year“ ausgerufen.

Noch ist Arugam Bay ein Idyll für Rucksackreisende. Am einen Ende der Bucht paddeln Surfer um die nächste Welle, am anderen Ende grasen Büffel. Fischer landen mit bunten Booten ihren Fang an. Doch es herrscht Goldgräberstimmung. „Viele Leute wollen jetzt ihren Fuß in die Tür dieser Goldmine bekommen“, sagt Merete Scheller, die mit ihrem Mann vor 28 Jahren ein Stück Land mit einer Palme darauf kaufte und ein kleines Hotel baute.

Das macht sie und die anderen Besitzer der kleinen Guesthouses nervös. „Wir wissen nicht, was die Regierung vorhat.“ Mohamed Raheem hat Angst, dass in Arugam Bay die Fehler anderer einstiger Paradiese wiederholt werden.

„Sie haben uns Pläne für große Hotelblöcke aus Beton gezeigt, aber das gibt es an anderen Orten schon“, sagt der Präsident der Arugam Bay Tourist Association. Er wolle hier keine Beach Boys wie an der Westküste, die die Touristen am Strand belästigen. „Arugam Bay ist besonders, ein gewachsenes Dorf, das sich organisch entwickeln soll, nicht künstlich.“

Eine Ahnung von den Plänen der Regierung vermittelt der „Eastern Province Development Action Plan“, den das Tourismusministerium ausgegeben hat. Größere Hotels, neue Flughäfen, bessere Straßen sollen den Tourismus ankurbeln. Eines der Großprojekte ist Passekudah, sechs Stunden rumplige Busfahrt nördlich von Arugam Bay.

Ein Schild neben der Straße zum Strand listet die Attraktionen des „National Holiday Resort“ auf, das hier aus der sumpfigen Erde wachsen soll: Sternehotels, Restaurants, Aquarium, Shopping Bazar, Sportkomplex, Open Air Theater. In eineinhalb Jahren soll alles fertig sein, sagt der tamilische Verkäufer in seinem Limonadenladen hinter dem Strand. In 14 Hotels sollen dann 1500 Touristen auf internationalem Niveau schlafen.

Bisher planschen fast nur einheimische Touristen im seichten Wasser, die Frauen in Saris oder T-Shirts. Die feinsandige Bucht fällt sehr flach ins Meer ab, ideal für die Gäste aus Colombo oder Kandy, von denen viele nicht schwimmen können. Glasbodenboote bringen die Besucher in leuchtend roten Schwimmwesten hinaus zum Riff, um die Fische und Korallen ihrer Insel zu sehen.

Vahid ist mit seiner Familie schon mehrmals im Minivan hierhergefahren, seit der Krieg vorbei ist. Sie kommen nur für das Wochenende. „Aus Kandy sind es nur sieben Stunden“, sagt er. Für Sri Lanka ist das ein Katzensprung. Sie kommen, um endlich den Osten ihres Landes zu sehen, in den sie sich mehr als 30 Jahre nicht trauten. Vahids Schwiegertochter hat heute Geburtstag, es gibt Kokoskuchen mit viel Zuckerguss, der Gast aus dem fernen Deutschland muss das erste Stück nehmen, darauf besteht Vahid.

An fehlender Gastfreundschaft liegt es sicher nicht, dass bisher noch nicht so viele Touristen wie erhofft an die kilometerlangen Strände von Passekudah und Kalkudah kommen, wie Shiva Satkunam beklagt. Aber das Angebot sei noch nicht gut genug, es fehlten grundlegende Dinge wie Elektrizität und Wasserversorgung, sagt der Manager auf der Veranda seines spartanischen Hotelbungalows. „Die Leute erwarten gute Straßen, bequeme Busse und Hotels mit einem Standard wie zu Hause.“

Auch im „Simla Inn“ wird gewerkelt. „Meine Tochter baut gerade sechs neue Zimmer“, sagt Miss Victoria, 67 Jahre alt, die grauen Haare zurückgebunden, strotzend vor Vitalität, und deutet aus ihrem Esszimmer hinaus auf den Hof. Seit 32 Jahren hat die methodistische Tamilin ein kleines Hotel hier, sie machte es als einzige nicht dicht, nachdem die Rebellen 1990 die Polizeistation angriffen und die Touristen weg blieben. Und als der Tsunami ihr 2004 Haus und Ehemann nahm, fing sie mit zwei Gästezimmern wieder von vorn an.

Die neue Konkurrenz am Strand kann Miss Victoria nicht schrecken. „Dahin werden nur reiche Leute gehen, zu mir kommen normale Leute“, sagt sie. „Die haben Marmor und feine Butler, aber das ist nur Show, ihr Essen ist nicht gut.“ Und gutes Essen ist ihr wichtig. Sie führt den Gast hinter das Haus zu ihrem Gemüsegärtchen. „Hier pflanze ich Auberginen, Linsen und Süßkartoffeln.“

Ganz scheint auch die Armee dem Frieden noch nicht zu trauen. Je weiter man nach Norden fährt, in Richtung der Tamilenhochburgen, desto sichtbarer ist sie. Wie eine Besatzungsmacht hat sie sich in Camps hinter Erdwällen und Stacheldrahtrollen eingeigelt, an jeder zweiten Kreuzung langweilen sich Soldaten mit Sturmgewehren vor einem sandsackgepanzerten Unterstand. Ausländische Besucher grüßen sie lächelnd.

Selbst auf dem unbewohnten Pigeon Island wachen Soldaten im Schatten der Bäume, daneben tratschen ungerührt Frauen in prächtigen Saris. Es ist Wochenende, im pausenlosen Pendelverkehr bringen Boote die vielen einheimischen Ausflügler auf die Paradiesinsel, die einer der zwei Meeresnationalparks Sri Lankas ist. Schon nach wenigen Flossenschlägen sind die Schnorchler mitten in den Korallengärten und sehen Riffhaie elegant ihre Kreise ziehen.

Wer tiefer gehen will, findet an den nahen Stränden von Uppuveli und Nilaveli erste Tauchschulen. „Bisher ist Sri Lanka nicht für Tauchurlaub bekannt“, gibt Tauchlehrer Jayantha zu. Aber seine Kunden werden kommen, da ist er sicher. Wegen der Unterwasserwelt, vor allem aber wegen der feinsandigen Strände, die hier ein sanftes Meer umspült. Baden wie im Swimmingpool, nur viel schöner.

Wo jetzt noch Kühe grasen, sollen in wenigen Jahren große Hotels stehen. „Ich habe 2005 hier ein Stück Land gekauft, jetzt ist es zehnmal so viel wert“, sagt Jayantha. Der Goldrausch hat begonnen. Bleibt zu hoffen, dass die Manager und Planer im fernen Colombo Merete Schellers mahnende Worte gehört haben: „Niemand will heute mehr Urlaub in Hochhäusern machen.“

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