Sambia: Auge in Auge mit den Löwen

Mitten im Busch die Wildnis erleben – und dem König der Tiere ganz, ganz nah sein.

Ein tiefes, lang gezogenes Knurren weckt die Bewohner des Camps. Draußen ist es stockfinster. Im Busanga Bush rührt sich kein Mensch, es ist erst 4.30 Uhr. Hinter der Zeltplane raschelt es im Gestrüpp, ein Wildschwein sucht nach Futter.

Um das Camp herum gibt es keine Zäune, es steht mitten im sambischen Busch. Die Philosophie der Wilderness-Camps ist einfach: Der Mensch integriert sich unauffällig in den Kafue-Nationalpark. Deshalb gibt es in allen Camps auch nur Platz für höchstens zwölf Touristen.

Eine halbe Stunde später wieder das Knurren. Ebenso tief, dunkel und voluminös. Aber aus der entgegen gesetzten Richtung. Jetzt sind sie aus zwei Richtungen deutlich zu hören: Löwen. Endlich!

Niemanden hält es mehr im Bett, jeder will bei Sonnenaufgang Punkt 6.30 Uhr im Jeep sitzen. Während sich der schwarze Nachthimmel langsam blau verfärbt, gibt es ein kurzes Frühstück im Camp. Ein kleines Buffet aus Toast, Eiern und Müsli ist auf einer Holztheke aufgebaut. Als Dach dient eine Zeltplane.

Langsam färbt sich der Himmel über der Savanne hellblau und zartrosa, friedlich grasende Antilopen bilden dunkle Punkte im aufsteigenden Gegenlicht. Nebelschwaden, die wie waagerechte Schleier oberhalb des goldgelben Grases schweben, werden von der Sonne in leuchtendes Orange getaucht.

Nur Sekunden später scheint der Himmel zu brennen: Helles Pink mischt sich mit Orange und Gelb zu einem spektakulären Sonnenaufgang. Nur bei Tagesanbruch sind die Chancen gut, den König der Tiere und sein Rudel zu sehen. Steht die Sonne erst hoch am Himmel, suchen sich die Löwen ein schattiges Plätzchen und schlafen bis zur Dämmerung.

Phil steuert den Jeep langsam über die Piste, damit nur wenige Fahrzeugspuren im hohen Gras zurückbleiben. Auf den sandigen Stücken des Bodens sucht der Guide nach Pfotenabdrücken. Zählt, wie groß das Rudel wohl sein könnte. "Die Spuren sind ganz frisch", sagt Phil. Die sieben Touristen im Jeep spüren, dass sich das tagelange Warten jetzt auszahlt. Phil, der Südafrikaner, lebt seit drei Jahren in Sambia, leitet mit seiner Frau Sarah das Busanga Bush-Camp und zeigt den Gästen "seine Wildnis".

Weites, offenes Land, von zwei Meter hohem Gras bedeckt. Einzelne Bäume ragen wie Inseln heraus. Phil stoppt den Jeep. Niemand darf jetzt mehr sprechen oder sich bewegen. Dann ist es soweit: Eine Löwin kommt heraus. Mit stechend hellbraunen Augen beobachtet sie die Menschen im Jeep, niemand traut sich mehr zu atmen. Gemächlich kommt sie geradewegs auf den Wagen zu.

Der hat keine Seitenwände, kein Dach, noch nicht einmal eine Frontscheibe - nur Sitze auf einer fahrbaren Unterlage. Keine Waffe für den Notfall. Sogar das Klicken der Kameras scheint zu laut. Die Löwin trottet vorbei, nur vier Meter neben dem Jeep. Ihr tiefes Knurren bedeutet: Die Luft ist rein - die Rudelmitglieder folgen ihr. "Die Löwen wissen, dass der Jeep weder Futter noch Gefahr ist", wispert Phil, denn dieses Rudel kommt auf seinen kilometerlangen Streifzügen immer wieder in Camp-Nähe.

Sambia - jenseits der Victoria-Fälle und der Stadt Livingstone - besteht zu großen Teilen aus Nationalparks. Der Kafue-Nationalpark zählt mit einer Fläche von rund 22500Quadratkilometern zu den größten weltweit. Die beiden großen Arme des Kafue-Flusses, Lunga und Lufupa, fließen durch sein Gebiet. Es gibt keine Straßen im Kafue-Park.

Nach der Regenzeit müssen die Camps neu aufgebaut werden, nachdem wochenlang das gesamte Gebiet unter Wasser gestanden hat. 3000 Kilo-Kolosse neben dem Kanu Fortbewegung ist nur mit Kanus möglich, bis das Wasser allmählich versickert und die Sonne den Boden bis Oktober austrocknet.

Sogar im Juli, wenn Afrikas Winter tagsüber das Thermometer zwar schon auf 26 Grad Celsius klettern lässt, sich die Temperaturen nachts aber nur knapp über dem Gefrierpunkt bewegen, sind noch nicht alle Strecken mit dem Jeep zu bewältigen.

Oft heißt es in Kanus umsteigen und vorsichtig an Flusspferden vorbei fahren. 30Kolosse mit riesigen Mäulern und winzigen Ohren planschen im Lunga-River, kommen nur zum Fressen an Land. Mit mehr als 3000 Kilogramm Gewicht brauchen sie den Auftrieb im Wasser.

Vor allem nachts ist in der Lunga River Lodge ihr lautes Grunzen zu hören, wenn die Hippos auf der Suche nach saftigem Gras zwischen den Holzhütten herum laufen und dabei auch Liegestühle auf den Terrassen umstoßen. "Deswegen darf nachts niemand seine Hütte verlassen", sagt Gordon. Ein Nachtwächter patrouilliert durch das Camp und verscheucht die Tiere mit einer starken Lampe. "Sie mögen kein Licht", sagt Gordon lachend.

Ein erfahrener Guide wie Gordon darf mit Gästen auch zu Fuß auf Safari gehen, dann allerdings bewaffnet. "Nur flüstern und immer genau in einer Reihe hinter mir laufen", instruiert er die kleine Gruppe. Ohne Trampelpfad geht es hinein in den Busch. Es riecht verbrannt, Buschfeuer lodern aus Baumstämmen. Die meisten sind von Rangern gelegt, um das trockene, meterhohe Gras niederzubrennen.

"Aus der Asche wächst innerhalb von zwei Wochen frisches Grün", erklärt Gordon. Dann bleibt er ruckartig stehen. Niemand bewegt sich, keiner flüstert. Da ist es wieder, das Knurren. Diesmal keine zehn Meter entfernt, jagt es den Puls hoch. Durch dichtes Gestrüpp zwischen Bäumen zeichnen sich die Umrisse von sechs Löwen ab. Niemand denkt ans Fotografieren - Faszination und Panik lähmen alle. Das Herz rast.

Fast eine Stunde dauert es, bis der erste sich traut zu flüstern: "Das ist das Beste, das ich jemals erlebt habe", sagt Hamburgerin Karin und ist einfach nur glücklich.

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