Island ist eine Oase fernab von Lärm, Hektik und Stress. Vor allem der Norden bietet Einsamkeit in der Natur Raus in die Stille

Mit einer kleinen Propellermaschine geht es vom internationalen Flughafen Keflavík bei Reykjavík in rund 45 Minuten nach Akureyri. Um Landebahn und Rollfeld herum: nichts. Keine weiteren Flugzeuge, kein Getümmel, keine Autos.

 Der Sage nach ruhen im Wasserfall Godafoss die Bilder der heidnischen Götter Islands. Der Fluss ist 180 Kilometer lang, der Wasserfall zwölf Meter tief.

Der Sage nach ruhen im Wasserfall Godafoss die Bilder der heidnischen Götter Islands. Der Fluss ist 180 Kilometer lang, der Wasserfall zwölf Meter tief.

Foto: Daniela Kebel

Nur die schneebedeckten grau-braunen Berge ringsum.

Die Reise durch den Norden Islands startet in dem hübschen Ort Akureyri, der etwa 20 000 Einwohner zählt. Am Stadtrand empfangen zunächst beeindruckende Anwesen die Besucher, danach geht es in eine gepflegte City aus leuchtend bunten Häusern. Klein, aber keineswegs verschlafen, denn die Isländer mögen es gesellig und farbenfroh. Das Land, das durch lange Dunkelheit von Herbst bis Frühjahr geprägt ist, scheint ab April jeden Sonnenstrahl in sich aufzusaugen.

Unterwegs auf
dem Arctic Coast Way

Direkt vor der Stadt liegt der Eyjafjördur, ein Fjord, der von Norden her etwa 60 Kilometer weit und circa 24 Kilometer breit ins Landesinnere einschneidet. Er ist der längste Fjord Islands. Eine Fahrt entlang seines Westufers auf dem Arctic Coast Way zeigt eindrucksvoll die Landschaft: Weites, leicht hügeliges Grasland schimmert grün-silbrig in der Sonne, das Wasser des Fjords – sowie überhaupt aller Seen, Fjorde und Gewässer der Insel – ist tief dunkelblau. Ebenso der Himmel: Eine so klare und reine Luft ohne jegliche Staub- oder Schmutzpartikel atmet man selten. Rechts und links ragen braune Berge mit flachen, verschneiten Kuppen auf: Gletscher prägen die Bergwelt.

Unterwegs lohnt sich ein Stopp in Hauganes, einem Ort, der gerade einmal 90 Einwohner hat. Das einzige Fischereiunternehmen präsentiert stolz seine Tradition, es ist bereits seit Generationen in Familienbesitz. Bis heute werden Fische ausschließlich per Hand verarbeitet, was die Produkte teuer und den Betrieb unwirtschaftlich macht. Die Lösung sah man vor einigen Jahren im Tourismus. Das schicke Restaurant „Baccalá Bar & Restaurant“ lockt Reisende wie Einheimische an die Tische, die beiden Fischkutter werden zudem für Walbeobachtungstouren genutzt.

Traditionelles Baden
in „Hot Tubs“

Auf dem Grasland daneben wurde ein Campingplatz mit Bademöglichkeiten in drei kleinen, runden Becken, den „Hot Tubs“ eröffnet. Diese finden sich überall in Island, aus manchen werden größere Spas und Badebecken in Swimmingpoolgröße mit Infrastruktur wie Umkleiden, Duschen und Gastronomie. Andere wiederum bleiben einfache „Hot Tubs“ – kaum größer als ein Bottich oder eine Wanne. Das heiße Wasser steuert die Natur selbst bei: durch die postvulkanische Geothermie. Sie erschafft überall heiße Thermalquellen mit unterschiedlicher Zusammensetzung. Dort, wo sie einfach so aus dem Boden blubbern, ist der Geruch nach Schwefel unverkennbar und hinterlässt auf dem meist sandigen Boden ein Farbspiel aus Grün, Violett, Rot und Orange.

Der aufsteigende Dampf ist warm, das Wasser kann bis zu 90 Grad heiß sein. Um es für Bäder zu nutzen, wird kühles Wasser aus dem Meer oder ebenfalls direkt aus Bergen und Gletschern zugefügt – unter 38 Grad fällt die Temperatur nur selten, denn in Island badet man eher wärmer, um die 40 Grad. Ein weiterer Vorteil der natürlichen Hitze: Viele Rohre für den Transport des heißen Wassers verlaufen unter den Straßen, sodass diese im Winter eisfrei bleiben.

Nur ein paar Kilometer weiter Richtung Norden, in Árskógssandur, hat eine einheimische Brauerei mit einem besonderen Konzept eröffnet: Neben eigenen Biersorten und Restaurant, gibt es auch ein Bier-Spa. Holztröge, gefüllt mit schäumendem, alkoholfreiem und 38 warmem Bier warten in Einzelkabinen auf Gäste. Angeblich soll das Baden in Bier die Haut weich und geschmeidig machen – falls man es hinterher nicht abduscht. Ein Selbstversuch hat gezeigt: Es kostet Überwindung, klebt tatsächlich nicht, hat aber nach einmaliger Anwendung auch keinen erkennbaren Nutzen. Das Gute am Bier-Baden für die meisten: Neben dem Badetrog steht ein Fass mit Zapfhahn. Aus ihm fließt das richtige Bier ins Glas, gekühlt und mit Alkohol. Und natürlich gibt es auch „Hot Tubs“ für gleich mehrere Personen draußen auf der Terrasse. „Wir Isländer baden andauernd“, sagt Thordis vom Tourismusbüro Visit Iceland. „Deshalb war es sehr schlimm für uns, als wegen Corona im vergangenen Jahr die Bäder geschlossen waren.“

Ein Spa mitten
in Berg und Wald

Der Badebedarf ist offenbar weiter gewachsen und zeigt sich auch in einem modernen, mehrere Millionen Euro teuren Spa-Neubau mitten im Wald und am Hang eines Berges nahe Akureyri. Die „Forest Lagoon“ ist kurz vor ihrer Eröffnung schon als Baustelle beeindruckend: Auf 1300 Quadratmetern baden Gäste in Infinitypools direkt am Hang mit Blick über den Fjord. Es gibt eine Sauna, sowie Bistro und Bars, die vom Wasser aus erreichbar sind. Innen ist die ursprüngliche Felswand erhalten, in die das Gebäude hineingebaut ist. Ein ambitioniertes Projekt, das sein Entstehen einem zufälligen Fund des natürlichen, heißen Wassers bei einer Tunnelgrabung durch den Berg verdankt.

Eine Rundreise durch den Norden Islands ist aber erst komplett, wenn man Lavalandschaften gesehen und am besten selbst erwandert hat. Wie beispielsweise Dimmuborgir – die wohl beeindruckendste Lavalandschaft der Insel. Sie liegt direkt neben dem See Mývatn, der sich südöstlich des Fjords in Richtung Landesinneren in der Ebene ausbreitet. Umgeben von Grasland reicht die Farbskala seines Wassers von dunklem Blau bis zu leuchtendem Blau-Türkis. Pferde grasen am Ufer, überall nisten Vögel, Enten watscheln gemütlich über die Straße. Die meisten Gebiete rund um den See sind zu ihrem Schutz für Wanderer gesperrt.

Der Szenenwechsel zu Dimmuborgir könnte kaum krasser sein: Gerade noch der Blick auf den stillen See mit all seinen Farben, ragen nun Lavaformationen bizarr in den Himmel, kantig, eckig und mit viel Fantasie ähneln manche sogar Tieren. Auch Löcher haben sich in dem schwarzen Gestein gebildet, als seien sie Portale in eine andere Welt aus noch mehr Lava. Sandige, graue Wanderwege verschiedener Längen sind gut markiert und führen durch das Gelände. Oftmals gilt es, steile Pfade zu erklimmen, um einen besonders weit über die düstere Landschaft schauen zu können.

Dass die Vulkane, die diese Formen erschaffen haben, unterirdisch noch immer aktiv sind, beweist auch hier die Geothermie. Denn in unmittelbarer Nähe, in Reykjahlid, wird noch heute traditionell Brot im heißen Boden „gebacken“. In bestimmten Bereichen gibt es Kammern in der Erde, die durch die Geothermie mindestens 50 bis 60 Grad heiß sind. Dort hinein werden Behälter mit Brotteig gelegt, anschließend die Kammer als besetzt markiert. Etwa einen Tag später kann man ein kräftiges, dunkles, aber feinkörniges und süßlich schmeckendes Pumpernickel herausholen, das Lava-Brot. Dessen Krümel werden sogar in Milcheis für einen besonderen Geschmack verarbeitet.

Wer den Eindruck hat, in Islands Norden fährt man von Attraktion zu Attraktion, hat Recht. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich Sehenswertes, Erlebenswertes und Wissenswertes aneinander. Ein Land, das mit seiner scheinbar grenzenlosen Berg- und Gletscherwelt, den weiten Gras- und Vulkanlandschaften zwar vor allem zum Wandern und in die Einsamkeit der Natur einlädt. Doch es ist eine klassische Mietwagen- oder Camper-Destination. Selbst zu fahren, ist obligatorisch, um möglichst viel zu sehen.

Den perfekten Abschluss bildet der Wasserfall Godafoss. Wege führen an beiden Seiten des Flusses Skjálfandafljót entlang, flussaufwärts, bis sich das Wasser an der Kante bricht und tosend zwölf Meter in die Tiefe stürzt. Godafoss, der Wasserfall der Götter, erinnert an das Jahr 1000 n.Chr., als der Häuptling des Gebietes entscheiden sollte, ob die Isländer zum Christentum übertreten sollten. Der Sage nach soll er die heidnischen Götterbilder daraufhin in den Fluss geworfen haben. Die Götter der Natur und ihre Schöpferkraft kann man hinter dem leuchtenden Regenbogen über der aufschäumenden Gischt jedenfalls klar erkennen – auch ganz ohne Fantasie.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Iceland.

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