Nordsee: Schnee statt Sand und Seehundbänke

Winter an der Nordseeküste: Die Strandkörbe sind weg, die Hafenrundfahrten eingestellt.

Düsseldorf. Die grünen Wiesen sind unter einer dünnen Schneeschicht verschwunden, die bunten Strandkörbe eingemottet. Unzählige kleine Eisschollen treiben durch die Grimmershörnbucht mit ihrem markanten, sichelförmigen Bogen.

„Nicht gestreut“ warnt ein Schild an den hölzernen Stufen zur Alten Liebe, der bekannten Aussichtsplattform in Cuxhaven. Doch niemand beobachtet den regen Schiffsverkehr auf der Elbe, der am Horizont unbeirrt Richtung Nordsee vorbeizieht.

Rund drei Millionen Übernachtungen verzeichnet das Cuxhavener Fremdenverkehrsamt im Jahr. Während es in den Sommermonaten mehr als 400 000 Urlauber in das Nordseeheilbad zieht, sind es zwischen November und Februar nur ein knappes Zehntel davon. „Im Winter erleben sie ein ganz anderes Cuxhaven“, sagt Anett Bentert von der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH. Die Gäste lassen sich den Wind um die Nase wehen und nutzen die Herbst- und Winterzeit, um Ruhe zu finden.

Zaghaft kämpft sich die Nachmittagssonne durch den Wolkenschleier und taucht die Landschaft in ein diffuses Licht. Dick eingemummelt sind ein paar Spaziergänger in der Grimmershörnbucht unterwegs. Die sanft geschwungenen Deichhügel bilden den perfekten Abhang zum Schlittenfahren. Von der Kugelbake, dem Wahrzeichen der Stadt, schweift der Blick über das Watt. An vielen Stellen haben Wind und Gezeiten die Eisschollen übereinandergetürmt. Eine unwirkliche Stimmung liegt über der weiß-grauen Landschaft.

„Wenn es wochenlang friert, dann sieht es hier aus wie am Nordpol“, erzählt Wattführer Horst Grimm, der von Döse aus Urlauber ins Wattenmeer führt — auch im Winter. Statt fünf bis acht Führungen im Monat sind dann allerdings nur ein bis drei Termine angesetzt. Warme Kleidung, am besten in mehreren Schichten, ist dabei ein Muss. Auch barfuß sollte im Winter niemand ins Watt gehen. Ansonsten ist ein Gang durchs Wattenmeer zur kalten Jahreszeit nicht weniger faszinierend.

„Das ist eine Wanderung, um die Weite des Watts in sich aufzunehmen“, betont Grimm. Würmer, Muscheln und Krebse sind in tiefere Gewässer abgewandert, auch die meisten Vögel haben sich in ihre Winterquartiere begeben.

„Aber Sie haben Ruhe und Muße, diese einmalige Landschaft ganz ungestört zu genießen“, schwärmt Martin Adamski, als Referatsleiter der Unteren Naturschutzbehörde mit zuständig für das Nationalparkzentrum Wattenmeer. „Nur zwei, drei Kilometer von der Küste entfernt, vergisst man, wo man ist.“

Die frische Seeluft tut nicht nur der Seele gut. Sie bringt auch das Immunsystem wieder auf Vordermann und stärkt die Bronchien. Watt, Deich, Heide, Wald — ein buntes Landschaftsmosaik bestimmt die Gegend um Cuxhaven.

Zum anschließenden Aufwärmen empfiehlt sich ein Besuch des Erlebnisbads „Ahoi“ in Duhnen. „Vor allem im Winter ist unser Sauna-Bereich gut besucht“, sagt Bad-Manager Sascha Bange. Während der Schweiß in Strömen fließt, wandert der Blick durch die Fenster der Panorama-Sauna im ersten Stock über das verschneite Wattenmeer.

Die kalte Jahreszeit ist außerdem ideal für einen Museumsbesuch: Das Joachim-Ringelnatz-Museum bringt den Besuchern den beliebten deutschen Dichter und Kabarettisten näher, der im Ersten Weltkrieg bei der Marine in Cuxhaven stationiert war. Alte Seebären erzählen im Fischereimuseum im Cuxhavener Fischereihafen die maritime Geschichte der Stadt. 2012 soll auch das Wrackmuseum, zurzeit noch im Ortsteil Stickenbüttel beheimatet, dort angesiedelt werden.

Es sind nur ein paar Meter zum historischen Ensemble der Hapag-Hallen am Steubenhöft. Von der 1912 gebauten Anlegestelle für Überseeschiffe legten früher die Luxus-Liner und viele Auswandererschiffe in die Neue Welt ab. Die Dauerausstellung „Abschied nach Amerika“ im Empfangsgebäude Steubenhöft erzählt die Geschichte der Auswanderer — sie ist ohne Eintritt zugänglich. Auf ihre Spuren begibt sich außerdem eine Führung, die auch im Winter alle zwei bis drei Tage angeboten wird.

Die Betriebsamkeit dieser vergangenen Tage ist in Cuxhaven längst Geschichte. Seit die Englandfähre eingestellt wurde, ist es ruhig geworden im Fischereihafen. Das merken auch die zahlreichen kleinen und großen Restaurants und Fischgeschäfte. „Im Sommer kochen wir hier 600 Essen am Tag“, erzählt Cem Tekinersoy aus der „Fischbörse“ — im Winter seien es manchmal nur knapp ein Dutzend. Ein Großteil des Teams hat deshalb im Januar und Februar Zwangsurlaub.

Eingestellt sind in den Wintermonaten auch die Hafenrundfahrten und die Ausflüge zu den Seehundbänken. Nur der Schiffsverkehr zur benachbarten Insel Helgoland findet wie gewohnt statt — allerdings nicht mehr täglich. Von der Alten Liebe aus legen die Schiffe ab. Es sei denn, ein Wintersturm macht das Auslaufen unmöglich.

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