Mit dem Rad durch den Dschungel
Palau gehört zu Mikronesien — und beides klingt nach Paradies. Die kleine Insel Peleliu war im Zweiten Weltkrieg jedoch Schauplatz einer der blutigsten Schlachten zwischen Japan und den USA. Panzer gibt es noch heute.
Den wichtigsten Tipp an diesem Tag geben zwei Amerikaner, die im Auftrag der US-Regierung unterwegs sind. „Bleibt auf jeden Fall immer auf der Seite der weißen Markierung“, raten sie beim gemeinsamen Frühstück in einem kleinen Hotel auf Peleliu, als sie von den Urlauberplänen erfahren, die Insel mit dem Fahrrad zu erkunden.
Die Tour entlang des Dschungeldickichts ist auf eigene Faust problemlos machbar. Aber nur, solange man sich auf den offiziellen Pfaden bewegt. Wer diese verlässt, sich auf die rote Seite der Markierungen wagt, der riskiert sein Leben. Sie nicken aufmunternd, als sie das sagen, gucken allerdings sehr ernst. „Bloß nicht auf die rote Seite“, betonen sie noch einmal. „Das bedeutet nämlich, dass dort die Minenentferner noch nicht unterwegs waren.“ Dann setzen sie sich ihre Sonnenkappen auf, zupfen an ihren Funktionshosen und machen sich auf zur Arbeit. Die liegt mitten im Dschungel. Nicht immer auf der sicheren Seite der rot-weißen Markierungen.
Im Zweiten Weltkrieg war das heute so friedlich und verschlafen wirkende Peleliu eines der größten Schlachtfelder der Pazifikregion. Etwa 13 000 Japaner und US-Amerikaner starben zwischen September und November 1944 auf dem 13-Quadratkilometer-Eiland, auf dem sie sich bekämpften. Die meisten Verluste verzeichnete Japan: fast 10 700 Soldaten fielen. Die Insel, halb so groß wie das deutsche Norderney, war blutgetränkt. Noch immer sind die einstigen Feinde damit beschäftigt, Überreste der Gefallenen zu orten, die Knochen zu bergen und nach Hause zu bringen. Die Nationen arbeiten zusammen, Historiker und Anthropologen aus beiden Ländern ermitteln mögliche Fundstellen, graben und sortieren. Vertreter des jeweils anderen Landes sind — wie dieses Mal die Amerikaner — bei jeder dieser Missionen dabei. Es ist eine Zusammenarbeit des gegenseitigen Beobachtens. Damit der ehemalige Feind bloß nicht die falschen Knochen in die Heimat überführt.
Für viele Reisende macht die schier unvorstellbare Geschichte der Insel den besonderen Reiz aus. Sie ist ein Freilichtmuseum des Krieges, in dem die Natur den Tod überwuchert. Überall stehen rostige Zeugen der Dramen, die sich auf Peleliu abgespielt haben; sie wirken vor der Kulisse weißer Sandstrände und türkisschimmernden Wassers irritierend friedlich. Von der salzigen Seeluft zerfressene Panzer sind kunstwerkartig auf saftig-grünen Dschungellichtungen zu finden. Ein Museum zeigt die Geschichte der Insel — untergebracht in einem Hochbunker. In einer Lagune bietet ein durch die Wasseroberfläche scheinendes Wrack Schnorchlern im Fototapetenambiente ein fast schon absurdes Motiv.
Was Peleliu so anders macht als andere Pazifikinseln, ist dieser allgegenwärtige Kontrast von Leben und Tod. Bei der Radtour durch den Dschungel zwitschern Vögel derart laut, dass eine Unterhaltung kaum möglich ist. Doch wie viel lauter es einst gewesen sein muss, davon zeugen die tiefen Rillen, die die tonnenschweren Panzer in den Belag der einzigen Dschungelstraße gegraben haben, und über die nun die Mietfahrräder der Touristen rollen.