Kanu-Urlaub im Norden Minnesotas

Ely (dpa/tmn) - Wer viel Glück hat, bekommt in den Boundary Waters Bären und Wölfe zu sehen. Die Region in Nordost-Minnesota ist eines der ursprünglichsten Wildnisgebiete in den USA. Doch auch wer dort keine Raubtiere erspäht, kehrt nach Tagen des stillen Paddelns zufrieden zurück.

Die Nacht war kühl, dichter Nebel liegt über dem Wasser. Als Blayne Hall um viertel vor acht den Außenbordmotor seines kleinen Bootes anwirft, ist es schon hell - doch weit reicht der Blick nicht hinaus auf den Moose Lake, einen See bei Ely im Nordosten Minnesotas. „Setz Dich nach vorne und pass auf Kanuten auf“, ruft Blayne. Dann geht es mit Karacho in die Waschküche hinein. Der Mann hat Mut: Nach Ausweichkommandos vom Bug blieben nur Sekunden, um eine Kollision zu verhindern. Doch Blayne hat auch viel Erfahrung - und Glück: Schon nach wenigen Minuten reißt die weiße Wand auf. Nun strahlt die Sonne über das glatte, dunkle Wasser, und der Blick wird frei auf die Ufer, die von dichtem Nadelwald und zahllosen Birken beherrscht werden.

Blayne Hall gehört zu den Outfittern, die ihre Gäste vom Moose Lake aus in die Boundary Waters bringen. Dieser See ist einer von mehreren Einstiegspunkten in eine Wildnis, die sich nur per Kanu erobern lässt. Wer für einige Tage mal allem entfliehen will, findet hier eine gute Gelegenheit: Handy, Geldbörse und Kreditkarte bleiben in der festen Unterkunft am See. In der BWCAW, der Boundary Waters Canoe Area Wilderness, sind sie nutzlos.

Über mehr als 150 Kilometer erstreckt sich die Wildnis entlang der US-amerikanisch-kanadischen Grenze. Grand Marais am Lake Superior ist das östliche, Ely das westliche Einfallstor zu diesem Gebiet mit mehr als 1000 Seen und Flüssen, gut 2400 Kilometer Kanurouten und fast 2200 Orten, an denen Abenteuerurlauber ihre Zelte aufschlagen dürfen.

Einfach so drauflos paddeln geht jedoch nicht: Ein ausgeklügeltes System von Genehmigungen hält die Zahl der Kanuten in den Boundary Waters unter Kontrolle. Am Moose Lake zum Beispiel gibt es 26 sogenannte Permits - maximal so viele hier gestartete Kanu-Gruppen dürfen gleichzeitig in der BWCAW unterwegs sein. Erwachsene zahlen 16 Dollar für das Papier, Kinder die Hälfte.

Inzwischen hat Blayne Hall den Außenborder gestoppt und sein Boot an einem Baumstumpf am Ufer festgebunden. Mit Schwung wirft er die Rucksäcke vom Boot in das kleine Kanu, dann steigen die Passagiere um - und es geht los. Bald sind nur noch der Wind und das Eintauchen der Paddel in das stille Wasser zu hören.

„Gut, dass Ihr so wenig Gepäck mitgebracht habt“, lobt Blayne seine Begleiter. „Das werden wir bei jeder Portage merken.“ Portage heißen die Strecken zwischen den Seen, auf denen das Kanu getragen wird. Manchmal sind sie keine 100 Meter lang, manchmal dauert es aber auch etliche Minuten, bis Verpflegung, Zelte und Rucksäcke wieder verstaut werden können. Bis auf das Wasser zum Kochen, das aus den Seen geschöpft wird, muss alles in die Wildnis mitgebracht werden.

Nach zwei Portages ist der langgezogene Ensign Lake erreicht. Rund sechs Kilometer sind nun gen Osten zu paddeln. Nur wenige andere Kanuten sind an diesem Tag unterwegs, vor allem ältere Paare und Angler, die stoisch ihre Ruten ins Wasser halten und den Gruß stumm nickend erwidern. Insgesamt 38 Übernachtungsplätze liegen am Ensign Lake; Blayne hat sich einen im Nordosten ausgesucht, zwei Kilometer südlich der Grenze zu Kanada. „Wir bleiben lieber am Nordufer“, sagt er. „Auf der anderen Seite sind zuletzt mehrfach Bären gesehen worden, und die wollen wir nachts lieber nicht als Besucher haben.“

Viele Besucher wollen nicht nach Hause fahren, ohne einen Bären gesehen zu haben. Deshalb gibt es in Ely, dem letzten Außenposten der Zivilisation, das North American Bear Center. Zusammen mit dem International Wolf Center hat es den Ort mit seinen 3800 Einwohnern auch für Nicht-Kanuten zum Reiseziel gemacht. Das Magazin „Budget Travel“ zählte Ely 2010 zu den „zehn coolsten Kleinstädten Amerikas“.

Im Bear Center leben Ted, Honey und Lucky - drei Schwarzbären, die bis zum Jahr 2007 von Privatleuten im Nachbarstaat Wisconsin gehalten wurden. Ihr Fell glänzt seidig-schwarz, „aber wir pflegen es nicht: kein Kämmen, kein Bürsten. Die Bären säubern sich selbst“, erzählt Kuratorin Donna Andrews, während sie die Bären von Hand mit Weintrauben und Wassermelonen füttert. Die Besucher schauen sich das aus sicherer Distanz von einem Balkon aus an.

Ziel des Bärenzentrums ist es, den Lebensraum der Bären zu sichern. „Wir haben 15 000 bis 20 000 Schwarzbären im Norden Minnesotas. 1971 waren es zwar im gesamten Staat schon mal weniger als 6000. Die Zahl geht aber auch heute wieder zurück“, erklärt Direktor Lynn Rogers. „Wir wollen hier Fakten gegen Vorurteile über die angeblich so gefährlichen Bären stellen.“ Es sei es doch viel wahrscheinlicher, in den USA von einem anderen Menschen als von einem der insgesamt rund 420 000 Schwarzbären umgebracht zu werden.

Am Lagerfeuer am Ensign Lake gibt es Abendessen. Grüne Bohnen und vorgebackene Kartoffeln brutzeln in einer Pfanne auf dem mitgebrachten Gaskocher. Auch gegenüber am Südufer ist ein Feuer auszumachen. Campen dort die Angler, die so wortkarg im Kanu saßen? Und bekommen sie heute Besuch von dem Bären, der dort herumstreunt? Die Fragen bleiben unter dem wolkenlosen Sternenhimmel unbeantwortet.

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