Karibik Im Wollmantel unter Palmen

Weiße Weihnachten bedeutet in der Karibik weißer Sand und 30 Grad. In der Vorweihnachtszeit dürfen zwei Figuren nicht fehlen: Sinterklaas und der Zwarte Piet, die vor allem auf Aruba die Kinder verzücken und dabei mächtig ins Schwitzen kommen.

 Sinterklaas auf Aruba: Dick angezogen und mit Vollbart kein leichter Job bei mehr als 30 Grad auf der Karibikinsel.

Sinterklaas auf Aruba: Dick angezogen und mit Vollbart kein leichter Job bei mehr als 30 Grad auf der Karibikinsel.

Foto: Martin Cyris

Nonstop haucht der karibische Wind Schmusetemperaturen über die Traumstrände von Aruba. Flip-Flop-Wetter, das ganze Jahr über. Ein Alptraum. Zumindest für Make-up-Enthusiasten. Keine Schminke hält diesem Klima auf Dauer stand. Es sei denn, man trägt „ultrablack gezicht make-up“ auf. Wie jeder ambitionierte Zwarte Piet. Die pechschwarze Spezialgesichtsfarbe, direkt aus den Niederlanden importiert, trotzt Wind und Wetter. Der „Schwarze Peter“ ist der Gehilfe des Sinterklaas, dem niederländischen Pendant zum Nikolaus.

In den Niederlanden und ihren ehemaligen Kolonien in der Karibik sind der Sinterklaas und der Zwarte Piet die Ikonen der Vorweihnachtszeit. Viele Kinder fiebern ihrem Besuch entgegen. Wegen der Geschenke und weil sich der Sinterklaas als väterlicher Freund gibt. Als „guter Mann“ eben, wie es in einem bekannten Nikolauslied heißt. Und weil sein Gehilfe, der Zwarte Piet, für Spaß und Schabernack sorgt.

Kult um Sinterklaas
und den Zwarte Piet

Ihre Ankunft per Schiff wird in vielen Ländern live im Fernsehen übertragen – in den Niederlanden, in Surinam, auf Curaçao und Aruba. Es herrscht ein regelrechter Kult um Sinterklaas und den Zwarte Piet. Allen voran auf Aruba. Dort geht der Sinterklaas in Oranjestad an Land. Im Hafen der Hauptstadt legen auch fast täglich Kreuzfahrtschiffe an – Pflichtdestination vieler Karibikkreuzfahrten. Eine mondäne Einkaufsmall mit allen internationalen Marken ist unverkennbares Zeichen des Cruise-Ship-Tourismus’. Wenn die Passagiere in der Regel am späten Nachmittag wieder an Bord gehen, verpassen sie das Beste an Oranjestad: das bunte Nachtleben und seine lebendige Musikszene. Doch mit etwas Glück erhaschen sie in diesen Tagen zumindest einen Blick auf den Sinterklaas.

Auf der kleinen Karibikinsel konkurrieren rund drei Dutzend Sinterklaas-Truppen – Karnevalsvereinen ähnlich – um die besten Kostüme und die prestigeträchtigsten Auftritte. Es gibt sogar einen nationalen Sinterklaas, der von der Regierung ernannt wird. Mehrere Wochen lang schlüpft dieser wie alle seine Kollegen morgens in seinen Mantel und stülpt die Bischofsmütze über, zwängt sich in hohe Stiefel und klebt einen weißen Vollbart an. Volle Montur bei über 30 Grad. Für Marion Lopez, einen altgedienten Sinterklaas nicht etwa eine Strapaze, sondern eine Berufung. „Sinterklaas ist der Freund der Kinder, ihr Schutzpatron“, sagt der Grundschullehrer.

Viele Zwarte Pieten besuchen Kindergärten und Schulen

Stundenlang verteilt er Geschenke, besucht gemeinsam mit mehreren Zwarte Pieten Kindergärten, Schulen und Familien. Und hört sich die Sorgen der Kinder, aber auch der Eltern an. Der größte Feind sei allerdings nicht die Hitze, sondern der Hunger. Wegen des Barts kann Marion Lopez fast den ganzen Tag nichts essen. „Aus Solidarität hungert auch der Zwarte Piet“, sagt er lachend.

Eingeschleppt wurde der putzige Kult um den Sinterklaas schon vor Jahrzehnten und ausgerechnet von harten Kerlen: Die Soldaten vom Niederländischen Marinekorps wollten sich in der gefühlsduseligen Vorweihnachtszeit ein Stückchen Heimat in die Karibik holen.

Die Sinterklaas-Teams werden von Soca-Songs und Nikolausliedern begleitet. „Lasst uns froh und munter sein“ ist unbekannt, stattdessen wird „Sinterklaas kapoentje“ (Sankt Nikolaus mit der Kapuze) rauf und runter gedudelt. Neben Niederländisch ist die Kreolsprache Papiamentu offizielle Landessprache.

Einige der schönsten Strände
der Karibik

Ein schweißtreibendes Unterfangen. Vor allem im Süden der Insel, der noch eine Spur trockener und heißer ist. Dort stehen – schon von Weitem unübersehbar – die Reste einer Ölraffinerie, die einst wirtschaftlichen Aufschwung brachte. Nach dem Ende der Anlage setzte die Inselregierung voll auf den Tourismus als Wirtschaftszweig. Und genehmigte unter Zugzwang monströse Hotelprojekte, über deren Ausmaße und Ästhetik sich streiten lässt. Wenigstens konzentrieren sich die baulichen Kolosse auf ein begrenztes Gebiet, die sogenannte „high rise area“ im Norden.

Eine halbe Autostunde davon entfernt, im Südosten, geht es weniger touristisch zu. Unterwegs kommt man an einigen der schönsten Strände der Karibik vorbei: Palm Beach, Eagle Beach, Manchebo Beach. Bei Abstimmungen über die besten Strände der Welt landen sie regelmäßig ganz vorne. Einzigartig an den Stränden sind auch die dort wachsenden, windschiefen Divi-Divi-Bäume, die Wahrzeichen Arubas. Die Fahrt geht weiter vorbei an felsigen Küstenabschnitten mit exzellenten Tauchrevieren, bis man schließlich Sint Nicolaas erreicht. Der Name ist natürlich besondere Verpflichtung für den Sinterklaas.

Sint Nicolaas trägt den Beinamen „Chocolate City“ – Schokoladenstadt. Weil der Teint vieler Bewohner deutlich dunkler ausfällt als im Rest der Insel. Wegen der Raffinerie siedelten in Sint Nicolaas vor allem Arbeiter aus den englischsprachigen Inseln an. Etwa aus Jamaika, St. Vincent oder Grenada, wo es weniger Mischlinge gibt.

Die Rassismus-Debatte
spielt auf Aruba keine Rolle

Ein Thema, das auf Aruba eigentlich gar keines ist. „Aruba ist ein Mischmasch, es spielt überhaupt keine Rolle, welche Hautfarbe du hast“, sagt Charles Brouns. Sein Großvater hatte die „Charlie’s Bar“ in Sint Nicolaas ins Leben gerufen, eine Touristeninstitution. Und eine Attraktion, weil das Interieur einem überdimensionalen Setzkasten mit zahllosem Krimskrams und Souvenirs gleicht: Autokennzeichen aus aller Welt, Cowboyhüte, Schiffschrauben und Fanschals. Auch eine Parkuhr steht an der Wand. Allesamt Mitbringsel von Gästen. Der Laden ist dermaßen voll- und zugestellt, dass Entrümpelungsunternehmen mehrere Tage und viele Umzugskartons bräuchten.

Die Brouns-Familie stammt ursprünglich aus der niederländischen Provinz Limburg. In den Niederlanden kocht alljährlich in der Adventszeit eine Diskussion hoch, die sich um den Zwarte Piet dreht. Es gibt zwei Lager: Die einen würden den Zwarte Piet am liebsten auf die rote Liste setzen. Weil die Figur ein Ausdruck von Erniedrigung sei und seine schwarze Gesichtsfarbe eine rassistische Verfehlung. Andere sehen in der Kritik am Schwarzen Peter pure Schwarzmalerei. Die Erklärung der Pro-Zwarte-Piet-Fraktion: Er komme durch den Kamin in die Häuser, daher dessen schwarze Gesichtsfarbe.

Auf Aruba selbst, einem wahren Schmelztiegel, findet die Diskussion dagegen kaum statt. „Ich halte das Gerede um Rassismus für politisch indoktriniert“, sagt der Chef-Sinterklaas Marion Lopez, „wir kümmern uns nicht um Politik, sondern um die Kinder.“

Ob schwarz, gemischt oder weiß, sein schwarzer Helfer wird als Spaßmacher heiß geliebt. „Kinder nehmen die Hautfarbe doch gar nicht wahr“, ist der 61-Jährige überzeugt. „Der Zwarte Piet ist Teil unserer Kultur, und die wollen wir beibehalten. Wenn man uns den Zwarte Piet verbieten würde, wäre das auch das Ende vom Sinterklaas. Die beiden gibt es nur gemeinsam.“

Der Autor reiste mit Unterstützung des Fremdenverkehrsamtes von Aruba.

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