Hoch hinauf zum „Wolkenfelsen“

Jetzt beginnt die Hochsaison auf den Kanaren, wer raus aus der Kälte will, packt die Koffer. Gran Canaria lockt mit landschaftlichen Kontrasten und wird immer mehr zur Wanderdestination.

Heiß ist es, und mit jedem Schritt wird es heißer. Keine Wolke schwebt am stahlblauen Himmel, die auch nur den Hauch eines vorbeihuschenden Schattens werfen könnte. Langsam geht es für die Wanderer bergauf, zunächst ist der sandige Weg noch breit. „Feste Wanderschuhe sind ein Muss“, sagt Angelika. Sie führt die kleine Gruppe auf den Berg im Mittelpunkt Gran Canarias. Genauer gesagt zum Roque Nublo, einem markanten Monolithen, der sich wie ein ausgestreckter Finger über ein großes Plateau erhebt. Dies liegt zu seinem Fuße wie eine große Arena, die den Wanderern Platz für eine Rast und zum andächtigen Staunen bietet.

Der Pfad wird schmaler, der Sand weicht Geröll, schließlich sind dicke Steine und Felsen zu überwinden. Immer wieder Fotostopps: Die Ebenen weit unten, die winzigen Dörfer, die nur aus ein paar weiß getünchten Häusern bestehen, die wenigen Ackerflächen, die im Mittelpunkt der kanarischen Insel noch übrig geblieben sind und deren Grün- und Brauntöne im Sonnenlicht miteinander verschmelzen — tolle Motive, die aber auch deutlich die Landflucht der einheimischen Bevölkerung erkennen lassen.

Hoch hinauf zum „Wolkenfelsen“
Foto: Daniela Kebel

„Junge Leute bleiben nicht hier“, sagt Angelika. Die Deutsche ist vor rund 30 Jahren nach Gran Canaria ausgewandert, liebt die Wärme, die aber vor allem eines bedeutet: Trockenheit. „Oben in den Bergen gab es früher immer Wasser“, erzählt sie. Die Wälder speicherten die Feuchtigkeit, Stauseen waren gefüllt, Grundwasser ausreichend vorhanden. Rodungen und viel zu wenige Regentage brachten Wasserknappheit mit sich, Seen trockneten aus. „Wasser wird rationiert, manchmal darf man nur alle paar Tage seine Vorräte auffüllen“, sagt die Wanderführerin. „Grundwasser aus den Bergen ist kaum noch vorhanden.“

100 Entsalzungsanlagen sollen den Bedarf der Insel decken, auf der früher überall Tomaten, Gemüse und Obst gewachsen sind. Kaum vorstellbar bei dem Anblick der braunen, trockenen Landstriche, welche die Fahrt in die Berge begleiten. Lediglich die steinernen Begrenzungslinien erinnern noch an die ehemals terrassierten Hänge und ihre Bedeutung für die Landwirtschaft. Heute muss Trinkwasser in Flaschen und Kanistern gekauft werden. „Auch zum Kochen ist das Leitungswasser nicht geeignet. Zu viel Chlor drin“, sagt Angelika.

In den vergangenen Jahren wurde reichlich aufgeforstet, der lichte Pinienwald hinauf zum 1813 Meter hohen Roque Nublo verströmt einen intensiven, würzigen Duft. Die langen Nadeln der Bäume bedecken den Boden, wer sie im Büschel aufhebt und daran riecht, fühlt sich wie in einem Saunaaufguss. Oben angekommen, weht endlich eine leichte Brise, und es gibt sogar Wolken — wie es der „Wolkenfelsen“, so heißt der Gipfel übersetzt, verspricht. Picknickpause im Schlagschatten eines bizarren Felsens mit Blick auf die umliegenden Berggipfel. Las Cumbres, die Gipfel, wird das Zentralmassiv Gran Canarias genannt. Der Philosoph Miguel de Unamuno fand einen poetischeren Namen dafür: „Gewitter aus Stein.“

Ein nachvollziehbarer Begriff, schaut man auf die scheinbar wild durcheinander gewürfelten Klumpen aus braunem Gestein. Auf ihre wie abgebrochenen Kanten, die steil aufragenden Wände, Klippen, Kegel, die zahlreichen Ecken sowie aufgeschichtete Felsen, die eine lange, vulkanische Geschichte erzählen. Vor Millionen Jahren ist diese Landschaft durch Eruptionen, Wind und Regen entstanden, durch die Naturfreunde heute wandern und die Gipfel erklimmen.

Auch den Roque Nublo kann man erklettern: allerdings nur mit Steigeisen und Seil an einer dafür freigegebenen Seite. Über all diesen Bergen thront der Pico de las Nieves, die „Schneespitze“, mit einer Höhe von 1949 Metern. In den Schluchten tief unter ihm wachsen Palmen, weiter oben Mandelbäume. Die nahe gelegenen kleinen Orte Tejeda und Cruz de Tejeda machen aus der Not der Abgeschiedenheit eine Tugend: Sie bieten Turismo Rural, ländlichen Tourismus, mit Apartments und Ferienhäusern.

Dazu gehört auch etwas ganz Besonderes: das Wohnen in Höhlen. „Früher haben die Menschen in den Bergen alle in Höhlen gelebt“, erklärt Angelika. Höhlen, die bei Vulkanausbrüchen durch Luftblasen entstanden sind. Diese Hohlräume wurden genutzt, Wohnraum wurde in den Felsen geschaffen. „Es ist dunkel darin, Türen und vielleicht ein Fenster gibt es nur an der Vorderseite.“ Doch die Temperaturen sind das ganze Jahr konstant bei etwa 18 Grad, ein Vorteil im heißen Sommer. Denn auf Gran Canaria wird es mit zunehmender Höhe nicht kühler, wie sonst in den Bergen, sondern immer wärmer. Touristen können solche Höhlen als Feriendomizil mieten, ohne dabei auf Elektrizität und fließendes Wasser verzichten zu müssen.

Mehr Tourismus und Sehenswertes bietet der Süden der Insel. Playa del Inglés und Mas-palomas sind wohl die bekanntesten und ältesten Ferienorte Gran Canarias. Mehr Engländer im ersten, überwiegend Deutsche im zweiten, treffen sich alle am breiten Strand und natürlich in den berühmten Dünen von Maspalomas. Wer am Strand spaziert, braucht nur wenige Schritte landeinwärts zu gehen und steht in einer anderen Welt: in einem weit geschwungenen, fein- und hellsandigen Dünenmeer. Beinahe könnte man glauben, irgendwo in Arabien gelandet zu sein. Denn je nach Sonnenstand liegt ein goldgelber Schimmer auf den Sandbergen — genau wie in der Wüste Abu Dhabis. Und schon wieder ein Fotostopp nach dem anderen, schon wieder Postkartenmotive. Gran Canaria ist eine Insel der Kontraste und viel zu schade für einen Strandurlaub.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Thomas Cook.

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