Finnland Finnlands bezaubernde Farben und Panoramen

Finnisch Karelien zeichnet sich vor allem durch seine eindrucksvolle, vielfach unberührte Natur aus. Als ganzer Stolz der Finnen gilt der Koli-Nationalpark.

 Der Koli-Nationalpark mit dem Lake Pielinen ist ein echtes Naturparadies.

Der Koli-Nationalpark mit dem Lake Pielinen ist ein echtes Naturparadies.

Foto: Kimmo Salminen

Er hat schon alles gesehen. Eis, Magma, Fluten, Trockenheit. Bedrohliche Unwetter, milde Perioden. Er war da, lange bevor der erste Mensch seinen Fuß auf das Gestein gesetzt hat, das sich zu Urzeiten weiter dem Himmel entgegengereckt haben soll als der Mount Everest heute. Von mindestens 10 000 Kilometern Höhe sprechen Wissenschaftler.

In Wellenform
für immer verewigt

Vergletscherung und Erosion über Millionen von Jahren haben die Felsformation auf aktuell knapp 350 Meter Höhe schrumpfen lassen. Doch immer noch zeigt Jahrtausende altes Quarzit, entstanden aus Stein gewordenem Sand, Spuren längst vergangener Bewegungen der Natur-Elemente und hat es die Wellenformen für immer in sich verewigt.

Mit Sicherheit trägt dieser gleichsam faszinierende wie einzigartige Hintergrund zu der umfassenden, beinahe nachhallenden Ruhe bei, die wohl jeden früher oder später heimsuchen dürfte, der den Koli im ostfinnischen Karelien nahe der russischen Grenze besteigt.

Eine Quelle der ästhetischen, künstlerischen und spirituellen Inspiration – so sehen die Finnen ihren Koli, hervorgegangen aus dem 1,8 Milliarden Jahre alten Kareliden-Gebirge, und nennen ihn die „Essenz von Finnland“, „Finnland in Reinform“. Um dieses Nationalgut zu bewahren, hatte die finnische Regierung die geschichtsträchtige Hügellandschaft 1991 zum Nationalpark erklärt und das Territorium sechs Jahre später auf 3000 Hektar erweitert.

Noch nicht einmal
300 Menschen leben in dem Dorf

„Es macht bei vielen Menschen einfach ‚Klick’, sobald sie hier oben stehen“, beschreibt Satu Naumanen die Wirkung des Areals. Sie muss es wissen, seit rund zwei Jahren navigiert sie Touristen hindurch. Im Koli-Dorf in der Gemeinde Lieksa leben noch nicht einmal 300 Menschen – das Gebiet hat etwa 181 000 Besucher pro Jahr.

Dementsprechend gut infrastrukturell erschlossen ist der beliebte Nationalpark, in dem im Jahr 2000 das Naturzentrum Ukko eröffnete. Dort gibt es neben Ausstellungen, Café und Souvenir-Shop Tipps für Touristen, die sich beispielsweise für Tagesausflüge oder Wanderungen interessieren. Über gut 80 Kilometer erstreckt sich das mit Pfad-Hinweisen markierte Wegenetz, das Touren für Einsteiger wie auch Experten ermöglicht.

1,5 Kilometer lang ist etwa die „Tour der Gipfel“, auf Naturpfaden und Rundwegen lässt es sich zwischen drei und acht Kilometern wandeln: inmitten von dunkelgrünen, dicht aneinander gedrängten Nadelbäumen, Birkengruppen, deren schlanke weiße Stämme hoch aufragen, auf hartem Fels und weichem Waldboden, zwischen Blüten, Farn, Borstgras und gelb leuchtendem Wiesenwachtelweizen.

Mit dem Kanu zum
Picknick auf die Insel

Mehrtägige Wanderungen auf 30 bis 60 Kilometern umfasst unter anderem die Rundtour „Herajärven kierros“. Campingzelte dürfen an fünf Stellen aufgebaut werden, Lagerfeuer sind an 20 Posten erlaubt. Eine andere Perspektive auf den Koli bietet sich vom Wasser aus. Kanu- oder Paddelboot-Fahrer können sich eine von sechs Inseln zum Picknicken aussuchen.

Bis Koli um 1750 herum seinen aktuellen Namen erhielt, hieß er über viele Dekaden hinweg „Mustaventa“, was so viel bedeutet wie schwarze Brust, ein Sinnbild für die dichte Vegetation auf dem Berg, die sich dunkel vor dem Sonnenuntergang abhebt. Genau genommen handelt es sich bei Koli um vier Erhebungen: Pieni-Koli, das ist die kleinste, sowie Akka-, Ukko- und Paha-Koli. „Akka ist die sanfte Seite des Berges“, erzählt Satu Naumanen. „Auf Finnisch bedeutet Akka ,alte Dame’. Ukko ist nach dem Gott des Donners benannt, dessen Blitze gefürchtet waren. ,Paha’ bedeutet in unserer Landessprache böse. Einer Legende nach soll ein Priester namens Jakob Stenius Verurteilte vom Paha in die Tiefe gestoßen haben.“

1400 zum Teil
winzige Inselchen

Sprichwörtlich legendär ist die Aussicht von der glatten, grauen Spitze Ukko-Kolis auf den Pielinen. Der fünftgrößte See des Landes ist durchzogen mit rund 1400 Inseln, auf denen teilweise nur ein Sträuchlein Platz findet. Einige der Schären liegen dicht beisammen wie die Glieder einer Kette, andere ganz für sich, um sie herum nichts als Spiegelungen der Wolkenformationen auf der glatten Wasseroberfläche, über die Vögel ihre Kreise ziehen. Auch dafür ist der Nationalpark bekannt: seine einzigartige Biodiversität. Ein Drittel aller bedrohten Tierarten Finnlands sind dort zu Hause, außerdem zahlreiche Insekten-, Pflanzen- und Pilzarten. Mehr als 750 Schmetterlingsarten flattern umher, und zwischen Juni und Juli blüht die Vegetation in den Auen kunterbunt. Im Herbst fasziniert Koli mit seinen Farbspielen, im Winter durch kunstvolle Eisformationen und dichte Schneedecken. „Bilderbuch-Finnland“ – den Namen trägt die Landschaft zurecht.

Erst Mitte des 17. Jahrhunderts kamen die Bewohner

Das Koli-Areal wurde seit dem 16. Jahrhundert durch Menschenhand immer wieder verändert, je nachdem, welches ethnische Volk sich dort niederließ, etwa dank Brandrodungsfeldbau oder Vieh, das auf den satten Grasflächen weidete. Aber das ließ Koli erst spät zu, zeigte sich bis dato unwirtlich: Die ersten permanenten Siedler gab es Tourguide Satu Naumanen zufolge ab Mitte des 17. Jahrhunderts. Felsenhöhlen wie Pirunkirkko erzählen noch heute die Geschichten der frühen Bewohner.

Koli steht überdies für Nationalismus und Vaterlandsliebe: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts formte sich der Karelianismus, der die finnische Kunst und Kulturentwicklung prägte. Karelien gilt als die Geburtsstätte der finnischen Kultur. Viele heimische Künstler trugen ihre Eindrücke von Koli in die Welt, unter anderem der Autor Juhani Aho, die Malerin Venny Soldan-Brofeldt und der realistische Maler Eero Järnefelt, die den heutigen Nationalpark im Jahr 1892 besuchten. Letzterer soll vor Ort mehr als 120 Bilder gemalt haben.

Auch den Komponisten Jean Sibelius, Järnefelts Schwager, zog es seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder auf den sagenumwobenen Berg, um sich für seine Musik von Weite und Windesrauschen inspirieren zu lassen. Vor allem in seine Symphonie Nr. 4 aus dem Opus 63 flossen zahlreiche Emotionen und Gedanken ein, die Sibelius auf dem Koli-Berg sammelte. Trotz seiner merklich düsteren Strahlkraft zählt das Werk heute zu den bedeutendsten seines Schaffens.

Panoramen und Farben
machen den Zauber aus

Wer auf den windumwehten Gipfeln Platz nimmt, die den Koli-Nationalpark wie Kronen schmücken, erahnt auch ohne Kenntnisse der bewegten Historie die tiefe Verbindung zwischen ihm und dem skandinavischen Land. Reisende können sich womöglich kaum entscheiden, was sie am meisten bezaubert.

Ist es seine Vergangenheit? Seine aktuelle, fast majestätische Anmutung? Sind es die abwechslungsreichen Panoramen, die malerischen Licht- und Schattenspiele, die Momente völliger Stille, die klare Luft? Manchen Ausflügler mag vielleicht eher eine Frage umtreiben: Angenommen, die Menschheit wäre eines Tages in ferner Zukunft nur noch blasse Geschichte – wacht Koli auch dann noch über sein Territorium, unbeeindruckt wie eh und je?

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Finland.

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