Sommerurlaub mit Hund auf der dänischen Nordsee-Insel Römö Die Insel des Windes

Es gibt Tage, da flattern die Ohren im Wind, liegen hinter der nächsten Düne manchmal waagerecht in der Luft, knattern wie Propeller. Jedenfalls am Strand von Lakolk, jedenfalls hier auf Römö – und nur dann, wenn man Hund und entsprechend ausgestattet ist.

 Römös Westküste zur Nordsee hin ist von der Strömung begünstigt: Das Wasser trägt zusätzlichen Sand herbei, die Insel wird jedes Jahr im Schnitt vier Meter breiter.

Römös Westküste zur Nordsee hin ist von der Strömung begünstigt: Das Wasser trägt zusätzlichen Sand herbei, die Insel wird jedes Jahr im Schnitt vier Meter breiter.

Foto: Helge Sobik

Wind weht immer. Mal treiben die Böen trockenes Strandgut vor sich her, lassen es abrupt den Kurs ändern, während Hunde immer wieder versuchen, diese Knäuel aus Seegras einzufangen. Oft tanzen bunte Lenkdrachen am blauen Himmel, ziehen die Schirme der Kite-Surfer in 25 Metern Höhe übers Meer. Wieder so ein wunderbar windiger Tag: sommerlich warm, erfrischend, voller Vitalität und mit dem Gefühl, wirklich an der Nordsee zu sein.

Dutzende Wohnmobile stehen tagsüber am Dünensaum direkt auf dem Strand, Autofahren ist hier in Schrittgeschwindigkeit erlaubt, geparkt wird auf dem brettharten Sand weit weg vom Wassersaum. Wer mag, stellt Klapptisch und Stühle gleich neben dem Wagen auf, packt den Grill aus – und spannt eine Leine mit bunten Wimpeln. Weil das so schön ist und es hier so viele tun. Und weil der Wind schließlich etwas zum Spielen haben soll.

Wer derweil die Wurst auf dem Grill bewacht? Dafür ist meistens der mitgereiste Hund zuständig: immer in der Hoffnung, dass sie doch womöglich für ihn gedacht sein könnte. Diesen Nachmittag ist es ein Cockerspaniel neben einem Campingbus mit Wuppertaler Kennzeichen, der darin seine Berufung gefunden zu haben scheint – und ganz und gar keine Augen für die drei schwarzen Flat Coated Retriever hat, die gerade vom Schwimmen in der Nordsee kommen und klatschnass an seinem Revier vorbeitraben. Wehe nur, sie würden den Grill interessant finden, dann würde er ihnen aber was erzählen…

Die drei haben anderes im Sinn: schnell nochmal schwimmen, dahinten, wo gerade der Border Collie ist! Vorbei an Wohnmobilen, Campingbussen, Autos, Grills, Hunden und Schweinenacken-Steaks. Zu Konflikten kommt es im Grunde nie. Denn erstens ist reichlich Platz für alle, zweitens herrscht im Sommerhalbjahr Leinenpflicht für Hunde. Das schränkt Spiel und Spaß zwar etwas ein, aber wie kurz die Leine sein muss, das hat keiner festgelegt. Und deshalb ist sie manchmal sehr lang. Römo ist die südlichste dänische Nordsee-Insel, über einen 9,2 Kilometer langen Damm per Straße ans Festland angebunden, flächenmäßig ungefähr ein Drittel größer als die deutsche Nachbarinsel Sylt. Sogar eine Fährlinie gibt es von Havneby nach List auf Sylt. Bis zu 16 mal am Tag sind die aktuell zwei Schiffe in jeder Richtung auf der Strecke unterwegs, gut 40 Minuten brauchen sie für die Passage.

Römö ist Ruhe, Weite, Wattenmeer und Wald

Dabei ist Römö das Gegenteil von Sylt. Hotelzimmer gibt es nur wenige, gar kein Luxushotels, vergleichsweise wenig Gastronomie, keine Edel-Restaurants, dafür Sandwiches, Softeis, Räucherfisch-Snacks. Und großartige Sahnetorten im „Antik Café“. Das Sehen-und-Gesehen-werden spielt hier absolut gar keine Rolle. Wer Designer-Label ausführen will, ist an der falsche Stelle. Eher geht es um Understatement, um Allwetter-Kleidung, um Urlaubs-Optik und Badesachen. Das setzt sich bis in die Hundewelt fort: Es sieht nicht so aus, als wären alle vor dem Urlaub noch schnell beim Hundefriseur gewesen, hätten sich das etwaige Krönchen toupieren lassen oder das Ausgeh-Strasshalsband angelegt bekommen.

Römö ist Ruhe, Abstand, Weite. Ist Strandleben, Wattenmeer, Heidelandschaft, sogar Wald, sind Dünen, Salzwiesen, ein paar Kühe und Schafe, wenige Pferde, knorrige Fichten, Radwege – und Ferienhäuser. Weniger als 600 Einwohner sind hier ganzjährig zuhause, und wer als Gast kommt, fährt auf einen Campingplatz oder mietet in der Mehrzahl der Fälle ein Ferienhaus.

Hunderte davon ducken sich in die Täler der Dünenlandschaft, meistens auf großen Grundstücken, mit Freiraum drumherum und ohne Zaun zum Nachbarn, weil das zu deutsch wäre und Dänen auch ein bisschen Wildwuchs als Grundstücksgrenze reicht. Die drei Flat Coated Retriever haben derweil gerade mit dem Bobtail aus dem Nachbarhaus abgestimmt, wo diese unsichtbare Linie genau verläuft, rein freundschaftlich natürlich. Fortan hält jede Partei sie ein, als gäbe es einen völkerrechtlich bindenden Vertrag darüber und nicht mal Ballspiele vor der Bobtail-Terrasse oder Frisbee-Flüge auf dem Retriever-Grundstück verursachen ungewollten Andrang von nebenan.

Nicht nur diese, auch sonst scheinen die Hunde total entspannt zu sein – wahrscheinlich weil Herrchen und Frauchen es auch sind. Und weil man ja ersatzweise Alarm schlagen kann, wenn wieder der plusterige Auerhahn auf dem grasbewachsenen Dach des leerstehenden Ferienhauses gegenüber landet und es sich dort für Stunden gemütlich macht. Oder wenn Fasane aufflattern, kapitale Hasen ihre Runde drehen oder seltsam relaxte Rehe in der Dämmerung über die Grundstücke staksen und nachzuschauen scheinen, wer dort noch im Liegestuhl träumt und gleich eine Portion dänische Rote Grütze mit Vanille-Soße als verspätetes Dessert hervorholen wird.

Zur selben Zeit am Strand von Lakolk: Ein paar junge Leute hocken noch im Schein einer Öllampe am Dünensaum, einer hat seine Gitarre rausgeholt, spielt und singt für die anderen – und für den Border Collie vom Vormittag. Die Kite-Schirme sind gut verstaut bis zum nächsten Tag, die Wohnmobile für die Nacht weitergerollt auf die Stellplätze der Umgebung. Der Wind hat aufgefrischt. Weit weg, irgendwo da hinten im Dunklen, rollen jetzt richtige Wellen auf den Strand. Mit all den Geräuschen, die dazugehören. Als ob die Nordsee beschlossen hat, es nachts ein bisschen wilder zugehen zu lassen.

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