Deutsche Bahn rangiert die Autozüge aus

Hamburg (dpa) - Mit dem Autozug lässt es sich bequem reisen. Während es sich die Familie im Liegewagen gemütlich macht, ist das Auto auf dem Transportwagen dabei. Für Urlauber gen Süden ist diese Reisevariante aber bald passé.

Deutsche Bahn rangiert die Autozüge aus
Foto: dpa

Im Scheinwerferlicht der hohen Masten passieren die Fahrgäste den Abfertigungscontainer des Autoreisezuges am Hamburger Bahnhof Altona. Zwei Mitarbeiter weisen die Fahrzeuge in Hamburg in die Warteschlange. Das Ziel der Reisenden: Bahnhof München Ost. Die rund 780 Kilometer lange Strecke verbringen die Menschen im Liegewagen, während die Autos hinten auf dem Zug mitfahren. Auch die 68-jährige Linde Roeder und ihr 73-jähriger Mann Dieter haben sich an diesem Abend mir ihrem silbernen Geländewagen eingereiht. Seit 15 Jahren unternehmen die Eheleute diese Reise jedes Jahr im Dezember. „Man ist einfach entspannter“, beschreibt Linde Roeder die Art des Reisens.

Die Deutsche Bahn rangiert die Autozüge aber aus. 2017 ist Schluss mit dem Angebot, erklärt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Schon seit Anfang November gibt es von Hamburg sowie Düsseldorf und Berlin keine Fahrten mehr ins Ausland. Ziele in Österreich, Italien und Frankreich sind gestrichen worden. Wer in den Süden will, kann vorerst aber noch von Hamburg aus die Autozüge bis nach München oder Lörrach an der Schweizer Grenze nutzen. In den kommenden drei Jahren stellt die Deutsche Bahn ihr Engagement an den Verladestationen ein.

Die jährliche Strecke des Sylter Ehepaars Roeder ist erst 2017 betroffen. Bis dahin wollen die beiden Autozug fahren. Zufrieden mit dem Angebot sind sie aber schon jetzt nicht ganz. „Der Service wird immer bescheidener und die Fahrt immer teurer“, sagt Linde Roeder. Doch der Ehemann am Steuer ergänzt: „Den Stress auf den Autobahnen muss ich mir nicht mehr antun.“ Bis zum Ziel für die nächsten sieben Wochen, das bayerische Bad Füssing, sind es von München aus nur 150 Kilometer.

Die Fahrt mit dem Autozug ist nicht billig: Die Roeders haben nach eigenen Angaben für Hin- und Rückfahrt 720 Euro gezahlt - 200 Euro mehr als zwei Jahre zuvor. Wenn zwei Personen wenige Tage vor Weihnachten bequem mit dem Auto von Hamburg nach München und zurück kommen wollen, muss schon mal um die 1000 Euro hingeblättert werden. Das können sich offenbar immer weniger Menschen leisten. Nach Angaben der Deutschen Bahn waren es 2013 rund 200 000 Fahrgäste, im Jahr 1999 waren noch rund 500 000 Menschen mit Autozügen verreist.

Die Fahrpreise erscheinen hoch, sind aber nicht kostendeckend. „Allein im Jahr 2013 entstanden der Deutschen Bahn Verluste in niedriger zweistelliger Millionenhöhe“, erläutert Meyer-Lovis. Für den Kauf neuer Transportwagen fehlt das Geld. Die notwendigen Investitionen seien nicht wirtschaftlich. „Die Wagen (...) müssten ersetzt werden“, stimmt der Bahn-Betriebsratsvorsitzende Hans-Christian Christiansen in Hamburg zu. Für den Fahrgastrückgang hat er aber noch eine andere Erklärung: „Wenn man weniger anbietet, sinkt auch die Nachfrage.“

Die Deutsche Bahn will Alternativen schaffen, über die Autobahn. Lastwagen sollen die Autos an den Zielort bringen. Von Berlin und Düsseldorf nach München ist das schon Realität. Nach einer Pilotphase in diesem Jahr wird laut Meyer-Lovis nach der Wintersaison über die Fortführung des neuen Angebots entschieden. Der Fahrgastverband Pro Bahn hält die Art der Beförderung zwar für „stark gewöhnungsbedürftig“. Gut an der Entkoppelung des Transports sei aber, dass Reisende wählen könnten zwischen Nacht- und Tagverbindungen.

Die Mitarbeiter der Autozüge müssen nach Aussagen von Betriebsrat Christiansen nicht um ihre Jobs bangen. „Dank des Demografie-Tarifvertrags erhalten die Angestellten innerhalb des Konzerns neue Jobs.“

Am Bahnhof Altona beginnt die Reise: Fünf Bahn-Mitarbeiter in orangefarbener Signalkleidung weisen die Fahrzeuge über eine gelb-schwarz lackierte Rampe auf dem Zug ein. Nach acht Autos ist der Ladevorgang beendet. „Der letzte ist der Kombi, danach können wir alles zu machen“, sagt ein Einweiser zu seinem Kollegen. Ein Satz der vermutlich auch 2017 fällt, wenn in Hamburg das allerletzte Fahrzeug auf einen Autozug fährt.

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