Der Monte Verità ist ein Berg für Freigeister
Ascona (dpa/tmn) - „Sie müssen wissen, hier oben ist alles ein bisschen geistig“, hatte Fremdenführerin Carolina Peter beim Weg auf den Monte Verità gesagt.
Vogelgezwitscher, ein weiter Blick über den Lago Maggiore und üppiges Grün aus Palmen, Laub- und Nadelbäumen erwarten den Besucher auf dem Plateau oberhalb des mondänen Tessiner Urlaubsortes Ascona. Die Stille wird nur für einen kurzen Moment unterbrochen, als gut zwei Dutzend in verschiedenen Sprachen miteinander plaudernde Wissenschaftler von einem Tagungsraum im Hotel „Monte Verità“ über die Terrasse ins benachbarte Restaurant strömen.
Andere Gäste sind an diesem Tag rar. Doch auch wenn mehr da wären, sie würden den bärtigen Mann in weißem Hemd und Krawatte wohl kaum stören, der auf einer Lichtung auf der Anhöhe neben den Gebäuden mit Keulen jongliert. „Der wohnt hier“, sagt Lorenzo Sonognini, Direktor der Fondazione Monte Verità. „Und seinen Raben hat er auch immer dabei.“ Der Vogel sitzt in geringer Entfernung zu dem Jongleur angeleint auf einer kleinen Mauer und schaut sich um. Der Hügel scheint ein guter Platz zu sein, um sich fernab aller Hektik zu konzentrieren und nachzudenken. Er gilt als „Kraftort“, weil er genau auf der Spalte liegt, die Europa geologisch von Afrika trennt.
Der Begründer des modernen Tanzes, Rudolf von Laban, und die Wegbereiterin des modernen Ausdruckstanzes, die Amerikanerin Isadora Duncan, waren nur einige der prominenten Gäste, die in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Berg zu Besuch waren. Getanzt wurde in der Regel nackt. Die Bewohner waren Anhänger der sogenannten Lebensreform. Freies Denken, freie Liebe und Nudismus waren wichtige Bestandteile ihrer Ideenwelt.