Bei Beduinen zu Gast - Jordaniens Tourismus in der Krise

Dana (dpa/tmn) — Den Kaffee eines Beduinen in Jordanien lehnt man nicht ab. „Die erste Tasse muss man trinken“, sagt Ali Hasaseen. Das gebietet die Höflichkeit. „Danach sollte man sich die nächste Tasse gut überlegen.

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Wer die zweite Tasse trinkt, verspricht, im Kampf dem Gastgeber zur Seite zu stehen.“

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Der junge Beduine lacht bei diesem Satz, er ist wohl nicht allzu ernst zu nehmen. Und doch trinkt man diese Tasse laut einer uralten Tradition für das Schwert, das einen beschützt. Die dritte Tasse steht für die Entspannung. Und die vierte Tasse? Die muss man ablehnen - auch aus Höflichkeit.

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Wer Hasaseen im Biosphärenreservat Dana besucht, wird im Kreis der Familie begrüßt. Vater Muhammad röstet die Bohnen für den Kaffee. Dann braut er diesen und ruft mit einer Glocke die Nachbarn zusammen, die eine Tasse wollen - auch eine der festen, uralten Regeln für das Kaffeetrinken. Heute kommt aber nur die Familie hinzu. Jedem Gast wird die Hand geschüttelt. Die 400 Beduinen in dem rund 300 Quadratkilometer großen Reservat leben zwar vom Tourismus, sie scheinen sich aber noch über jeden einzelnen Gast zu freuen.

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Die Reise zum Beduinenstamm beginnt tags zuvor oben am Berg, im verlassenen Dorf Dana. Fünf bis acht Stunden dauert die Wanderung durch einen Canyon zu dem Tal, wo Hasaseens Familie lebt. Zwischen steilen Felsformationen schlängelt sich der Pfad hindurch, entlang an Kiesbetten und kargen Feldern. Es geht über 1000 Höhenmeter hinweg und durch eine unfassbare Stille, die nur ab und an von den Glöckchen der Ziegenherden durchbrochen wird.

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Hier ist heute nur eine Gruppe unterwegs - und auch sonst sind es so wenige Menschen, dass sich die Einheimischen über die Abwechslung zu freuen scheinen. Ein Hirte schaut auf seinem Esel vorbei, schnorrt sich eine Zigarette und sucht das Gespräch. Später stoßen zwei Dorfbewohner zur Gruppe. Sie backen für die Gäste Brot aus Weizenmehl und Salz, das einfach über die Glut des Lagerfeuers geschoben wird.

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Wer derzeit durch Jordanien reist, wird oft hofiert. Einige Touristen kommen noch, aber bei weitem nicht mehr so viele wie vor ein paar Jahren. Denn Jordanien grenzt an Israel, das Westjordanland, Irak und Saudi-Arabien - und an das umkämpfte Syrien. „Die Touristen sehen den Unterschied nicht, sie scheren die ganze Region über einen Kamm“, sagt Reiseführer Aiman Tadros. „Aber Jordanien ist sicher.“

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Deutlich wird die Flaute auch beim Kloster Ad Deir in der Felsenstadt Petra. Wer hierhin will, spaziert ein paar Stunden oder lässt sich von Esel oder Kamel transportieren. Es geht über viele Treppen aufwärts, vorbei an Hunderten von Grabanlagen, bizarren Felsen und Tempelfassaden. Dann durch eine letzte enge Nische, und ein weiter Platz öffnet sich — und darauf ist kein Mensch zu sehen. Nur ein Esel rastet vor der uralten Fassade des Klosters. Etwa zehn Minuten später kommen dann doch noch ein paar Touristen dazu. Immerhin ist das hier eines der Neuen Sieben Weltwunder und ein Unesco-Weltkulturerbe.

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Jordaniens Tourismus ist in der Krise. Die Reiseführer sagen relativ übereinstimmend, dass derzeit rund 70 Prozent der Reisenden im Vergleich zu den guten Jahren um 2010 wegbleiben. Das Jordanische Fremdenverkehrsamt hat immerhin ein wenig bessere Zahlen zu deutschen Übernachtungsgästen: Ohne Besucher, die nur einen Tag für den Besuch von Petra einreisen, registrierten sie 2010 rund 61 000, 2014 waren es knapp 47 000. Bis September 2015 kamen nur etwa 28 000.

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Reiseführer Tadros zeigt auf das bekannteste Eck der Felsenstadt: die Schatzkammer. „Früher konnte hier keiner lange stehen bleiben oder in Ruhe ein Foto machen.“ Zwar haben sich hier auch heute Grüppchen versammelt, fliegende Händler buhlen um sie. „Doch das ist gar nichts im Vergleich zu früher“, sagt Tadros. „So schlimm ist die Situation schon, dass in diesem Sommer die Beduinen demonstriert haben, um mehr Hilfe zu bekommen.“ Die Stämme unterhalten die Felsenstadt Petra und andere touristische Highlights des Landes - und leben davon.

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Die Jordanier versuchen aber, sich mit der Unsicherheit zu arrangieren. In den Hotels gibt es Sicherheitskontrollen am Eingang, die Tourismusbehörde hat eine Marketing-Kampagne gestartet, ein neuer Besucherpass enthält freien Eintritt für 40 Sehenswürdigkeiten.

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„Wir versuchen alles, dass die Touristen wieder Vertrauen gewinnen und zurückkommen“, betont Mahmoud Zawaida, Leiter des „Captain's Desert Camp“. Der Beduine lebt an einem der unwirklichsten Orte Jordaniens - vielleicht sogar der Welt. So unwirklich, dass Hollywood in der Wüste Wadi Rum den Blockbuster „Der Marsianer“ drehte, ein Film über einen auf dem Mars gestrandeten Astronauten.

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Der Wadi Rum ist eine Landschaft aus bis zu 1750 Meter hohen Bergen, bizarr erstarrten Sandformationen und Schluchten, die an eine Kraterlandschaft erinnern. 2011 ernannte die Unesco die Region zum Weltnaturerbe. Auch hier kutschieren Beduinen die Gäste in Jeeps durch den Sand, klettern mit ihnen auf Steinbrücken und verraten dabei uralte Geheimnisse. Bis vor ein paar Jahren war das Massentourismus - der große Parkplatz und das Camp zeugen noch davon. Am Rande des Wadi Rum ist alles auf Busladungen voller Touristen ausgelegt. An diesem Tag stehen nur vier Busse auf dem Platz.

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Die meisten Touristen sind jetzt nicht mehr Gruppenreisende, sondern junge Backpacker und Individualreisende. Sie teilen sich zu zweit, zu dritt einen Jeep durch die Wüste. „Weitläufig, einsam und gottähnlich“, so beschrieb Lawrence von Arabien den Wadi Rum. Im Moment kommt es einem genau so vor.

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