Banale Auszeit: Was die Deutschen im Urlaub machen

Hamburg (dpa) - Das Innerste der Mongolei erkunden? Was viele Deutsche tatsächlich im Urlaub machen, ist viel einfacher. Tourismusexperte Jürgen Kagelmann spricht von einem Plädoyer für den bescheidenen Urlaub.

Der perfekte Urlaubstag? „Für viele Deutsche beginnt er mit Ausschlafen und einem leckeren Frühstück am Buffet. Dann wird ein Ausflug in die nähere Umgebung unternommen - etwas erlebt - und am Nachmittag faul am Strand oder am Pool in der Sonne gelegen“, sagt Wissenschaftler Ulrich Reinhardt. Er leitet die Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, die Deutsche zu ihren Urlaubsaktivitäten befragt hat.

„Währenddessen überlegt man sich spontan, wie man den Abend gestalten möchte. Vielleicht einen Spaziergang durch die Altstadt des Ferienorts machen oder in einem typischen Restaurant mit Einheimischen die Landesküche probieren?“

Was der deutsche Urlauber demnach den lieben langen Tag so treibt, wenn er endlich mal Zeit hat: Nicht Kultur, Wellness oder Sport stehen ganz oben - sondern Essen, Baden, Spaziergänge, Ausflüge und Faulenzen. „Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit Welten liegen können“, sagt Reinhardt. „Ähnlich wie in der Freizeitgestaltung, möchte man auch im Urlaub die Möglichkeit haben, zwischen vielen verschiedenen Aktivitäten wählen zu können. Häufig werden aber nur wenige der Angebote tatsächlich genutzt. Eine Mischung aus Erlebnis und Entspannung ist es, die die deutschen Urlauber bevorzugen.“

Tourismuswissenschaftler Jürgen Kagelmann sieht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was die Werbung propagiert, und dem, was viele Urlauber tatsächlich suchen: „Wenn die Ergebnisse valide sind, kann man daraus entnehmen, dass der Urlaub eben nicht das ist, als das er immer hingestellt wird: die Chance, sich einmal im Jahr selbst zu verwirklichen und die ganz großen Erfahrungen und Erlebnisse zu machen, sondern eine banale Auszeit“, sagt er. „Eine Zeit eben, in der man sich woandershin bewegt, wo es sonniger ist, wo es andere Sachen zu kaufen und etwas anderes zu essen gibt - das reicht schon. Mehr wollen viele Leute gar nicht.“

Das ganz Besondere habe der Urlaub schon lange verloren, sagt der Experte aus München. „Das war früher mal so, vielleicht noch in den 50er, 60er Jahren - da war Urlaub etwas Außergewöhnliches. So außergewöhnlich, dass man schon lange vorher Pläne gemacht hat. Heutzutage ist das eine ganz normale Konsumaktivität.“

Auch wenn die Tourismusindustrie in Katalogen und im TV für etwas anderes werbe. „Erlebnis-, Besinnungs-, Klosterurlaube und so weiter werden als Trends herausgestellt, dabei haben die Leute offensichtlich viel einfachere Bedürfnisse“, betont der Diplompsychologe, der seit 1987 in der Tourismusforschung tätig ist.

Natürlich gebe es auch noch die anderen Urlauber. „Das sind dann vielleicht noch 10 oder 15 Prozent der Leute, die das Geld und die Motivation haben und einen besonderen Luxus- oder Abenteuerurlaub machen.“ Diese Art von Urlaub sei in Reisereportagen „ungeheuer überrepräsentiert“, sagt der Experte. „Diese ganzen tollen Erlebnis- und Abenteuersachen, wo man ins Innerste der Mongolei fährt, werden total überbewertet. Die Leute wollen einfach nur von zu Hause weg und ein bisschen was anderes kaufen und kauen“, unterstreicht der Autor und Herausgeber. „Das, was die Befragung zeigt, ist ein bisschen so etwas wie ein Plädoyer für den bescheidenen Urlaub.“

Für die repräsentative Untersuchung hat die Stiftung mehr als 4000 Deutsche ab 14 Jahren in persönlichen Interviews zu ihren Urlaubsaktivitäten befragt.

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