Auf der Suche nach Mr. Darcy

200 Jahre nach Jane Austens Tod: Eine Reise auf den Spuren der großen Schriftstellerin führt durch englische Bilderbuchlandschaften und zurück in eine Zeit, die für Frauen oft nicht einfach war.

Ob Jane sich selbst als Frauenrechtlerin gesehen hätte? „Zumindest wird sie augenblicklich überall als eine der ersten Feministinnen wahrgenommen“, sagt Jeremy Knight. Der Ur-Ur-Ur-Enkel von Edward Austen Knight, einem von sechs Brüdern der berühmten Schriftstellerin, posiert vor dem dreibeinigen Tischchen aus Walnussholz, an dem Jane Austen ihre späteren Weltbestseller schrieb. „Es ist erstaunlich, wie sich diese Annahme durchgesetzt hat“, sagt er. Ihr Leben, ihre Romane, ihre Bildung und die Tatsache, dass sie einen Heiratsantrag abgelehnt hat — das Bild einer Intellektuellen mag sich aufdrängen. „Doch ich denke, man kann sie sich eher als eine robuste Frau vom Land vorstellen“, sagt Jeremy Knight. Sozusagen mit Verstand und Gefühl, wie „Sense and Sensibility“ auch übersetzt wird. So lautet der Titel einer jener Liebes- und Gesellschaftsromane, die Jane Austen weltbekannt gemacht haben. Klassiker aus ihrer Feder sind etwa „Emma“ und vor allem „Stolz und Vorurteil“, das mehrfach verfilmt und mehr als 20 Millionen Mal verkauft wurde.

Auf der Suche nach Mr. Darcy
Foto: dpa

Jane Austens Schreibtisch steht in Chawton, einem 500-Seelen-Dorf in der südenglischen Grafschaft Hampshire, wie es typischer kaum sein könnte. Es gibt eine steinalte Kirche, einen perfekt manikürten Cricket-Rasen, die Dorfschänke „The Greyfriar“ und natürlich das Jane-Austen-Museum. Ein Häuschen mit niedrigen Decken war Janes eher bescheidenes Zuhause während der letzten acht Jahre ihres kurzen Lebens.

Auf der Suche nach Mr. Darcy
Foto: Claudia Kasemann

Heute ist das liebevoll eingerichtete Museum ein wahrer Pilgerort für unzählige Austen-Fans, die der Schöpferin unsterblicher literarischer Figuren wie der jungen Elizabeth und ihrem sagenhaften Mr. Darcy näher sein wollen.

Jeremy Knight informiert dort, wenn es seine Zeit erlaubt. „Oh, Sie sind ein echter Nachkomme“, hört er dann oft von begeisterten Austen-Fans aus aller Welt. Sein Vorfahr Edward, der „aufgrund einer komplizierten Erbschaftsgeschichte“, wie es heißt, zu Geld und Besitz kam, residierte im benachbarten herrschaftlichen Manor House. Dort kann man nach dem Museumsbesuch heutzutage zum gepflegten Afternoon Tea einkehren.

Nebst Mutter und Schwester Cassandra logierte Jane Austen kostenfrei auf dem Grund ihres Bruders — was für sie ein Segen war: Nach dem Tod des Vaters wären die Frauen ansonsten quasi mittel- und obdachlos gewesen — ein Schicksal, das unverheirateten Frauen damals fast unausweichlich vorbestimmt war.

Wie sehr das Leben im England des späten 18. Jahrhunderts von Konventionen geprägt war, lässt sich bis heute im Kurort Bath erahnen. Die Stadt am River Avon gilt wegen ihrer eleganten Architektur im Regency-Stil als eine der schönsten im Land. Alljährlich im September, zum Jane-Austen-Festival, schweben feine Damen in ausladenden Kleidern mit befrackten Herren durch nostalgische Ballsäle, als wäre seit Janes Schaffen keine Woche vergangen. Und in der Gay Street, dem Sitz des Jane Austen Centres, scheint die Zeit ohnehin stehengeblieben zu sein: Im hauseigenen Tea Room bedienen Kellnerinnen in stilechten Kostümen. Rund um die famosen Thermalquellen, die bereits die römischen Invasoren ausgiebig genossen, fand sich die britische Oberschicht ab 1700 zum gesellschaftlichen Schaulauf ein. Man kam zusammen in noblen Assembly Rooms zu Small Talk und gesittetem Tanz — und nicht zuletzt, um den Partner fürs Leben zu finden. „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, einer Ehefrau bedarf“, so lautet der berühmte erste Satz aus „Stolz und Vorurteil“. Während Austen Jane mit feiner Ironie den Landadel, den Heiratsmarkt von Bath mit seinen subtilen Codes sowie die allzu menschliche Sehnsucht nach der großen Liebe beschreibt, fand sie selbst niemals den Richtigen — anders als die Protagonistinnen ihrer Romane. Einen Antrag, den sie als 25-Jährige erhielt, lehnte sie nach durchwachter Nacht ab.

Winchester ist die letzte Station auf dem Lebensweg der Pfarrerstochter, die schon als Teenager mit dem Schreiben begann. „England, wie es einmal war“, heißt es in der kleinen Provinzstadt, die vom 9. bis zum 13. Jahrhundert die Kapitale Englands war. Und in der Tat ist Winchester auf eine sympathische Art gestrig. Im Umfragen führt es regelmäßig die Liste der Städte mit der höchsten Lebensqualität im Land an. Fachwerkhäuser im Tudor-Stil, viel Grün und eine imposante gotische Kathedrale bilden die eindrucksvolle Kulisse. Nach langer Krankheit — über die Diagnose wird bis heute diskutiert — wurde Jane Austen zwar noch von Ärzten in Winchester behandelt, sie starb jedoch kurz nach ihrer Ankunft mit nur 41 Jahren. Ihr Grab in einem Seitenschiff der Kathedrale trägt eine unscheinbare Gedenktafel. Auch fehlt ein Hinweis auf ihre Werke. Die sind zu Austens Lebzeiten ohne Autorenangabe erschienen — alles andere wäre für eine junge Frau unschicklich gewesen. Unter dem Titel stand lediglich „By a Lady“, „von einer Dame“.

Die Autoren reisten mit Unterstützung von Visit Britain

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